Lab News | 23.04.2020

5 neue Ideen für den Krisenjournalismus: Erster Online-Workshop im Media Lab Ansbach

Krisenzeiten sind eine große Herausforderung, doch sie bergen auch Potenzial für Innovation. Gemeinsam mit 22 Studierenden und dem Team des Media Lab Ansbach haben wir in fünf Tagen fünf neue Prototypen für den Krisenjournalismus erarbeitet - und das alles online! Hier gibt’s die Ergebnisse.

Inhaltsverzeichnis

  1. Interviews mit Experten des Krisenjournalismus
  2. Die Prototypen unserer Teilnehmer
    1. Newsnavigator App
    2. Crossmedia-Kampagne “wasichdarf”
    3. Instagram Channels “fUNKfORST” und “100 Seconds of Good News”
  3. Fazit

Wo liegen die aktuellen »Pain Points« von digitaler Berichterstattung in Krisenzeiten? Wo gibt es Anknüpfungspunkte für Innovation? Und wie lassen sich in kurzer Zeit mithilfe moderner Innovationsmethoden (und jeder Menge Post-its!) erste Lösungsansätze entwickeln? Gemeinsam mit 22 Studierenden aus ganz Deutschland und dem Design-Thinking-Coach Florian Rustler  haben wir vom 30. März bis zum 03. April zu diesen Fragen gebrainstormt, User Research betrieben und in fünf Teams an Lösungsansätzen gearbeitet.

Interviews mit Experten des Krisenjournalismus

Um einen Überblick über Herausforderungen der medialen Krisenkommunikation zu bekommen, wurden außerdem im Plenum immer wieder Experteninterviews durchgeführt.

Den Anfang machte Karin Immenroth von der Mediengruppe RTL Deutschland. Sie muss als Chief Data and Analytics Officer in der aktuellen Corona-Krise mit ihrem Team vor allem auf das Trial-and-Error-System zurückgreifen. Info-Formate verzeichneten im Zuge der Corona-Krise einen deutlichen Anstieg der Reichweite (bei der RTL Mediengruppe um bis zu 200 %), wobei lineare Formate etwas besser abschnitten als Streams. Grundsätzlich zeigte sie sich positiv überrascht, wie gut viele Meetings auch online stattfinden können.

Michael Konrad beleuchtete als Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken die Rolle von Behörden in Sachen Krisenkommunikation und gab Einblicke in seine Arbeit, die eine ständige Gratwanderung “zwischen Behördendeutsch und Infotainment” sei. Vor allem Reaktionsfähigkeit, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit sind für seine Behörde wichtige Grundsätze.

Für den Datenjournalisten Steffen Kühne vom Bayerischen Rundfunk ist die Corona-Zeit die bislang herausforderndste Situation in seinem Berufsleben. Die Differenz zwischen den offiziellen Daten und der Dunkelziffer sei für die Datenjournalisten im Moment noch schwer abzuschätzen und der Austausch mit Kolleg*innen sehr wichtig. Vor allem auf Twitter wurde im Rahmen der Corona-Krise viel über die Qualität der Daten und verschiedene Darstellungsformen diskutiert. So konnten sich relativ schnell einige “Qualitätsstandards” durchsetzen.

Frank Roselieb ist Direktor des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung in Kiel und beantwortete Fragen der Studierenden zur Rolle des Journalismus in Krisenzeiten. Durch “Self-Fulfilling-Prophecy” oder “Agenda-Surfing” könne Journalismus durchaus negative Entwicklungen in einer Krise begünstigen. Grundsätzlich sehe er im Journalismus allerdings auch eine große Chance, da er durch ausgewogene Einordnung politischer Handlungsweisen und eine angemessene Echtzeitkommunikation eine wichtige Stütze für die Bevölkerung sein kann. Im Falle der Corona-Krise sei dies seines Erachtens bislang größtenteils gut gelungen.

Unsere Abschluss-Speakerin Julia Leeb war als Krisenjournalistin bereits in den unterschiedlichsten Konfliktregionen unterwegs. Sie legt besonderen Wert darauf, nicht den Trendthemen hinterherzujagen, sondern versucht vor allem, den Anfang einer Krise journalistisch zu begleiten. Nur auf einer Seite unterwegs zu sein, könne dabei den meist sehr komplexen Zusammenhängen nicht gerecht werden. Mit ihren 360°-Filmprojekten möchte sie dem Betrachter ermöglichen, sich ein möglichst ganzheitliches Bild einer Situation zu verschaffen.

Die Prototypen unserer Teilnehmer

Was sind aber nun konkret die Ideen, auf die sich unsere fünf Teams in den fünf Tagen gestürzt haben, und welche Prototypen und Projekte kamen dabei zustande?

Newsnavigator App

Team 1 befasste sich mit der Idee einer Newsnavigator-App. Sie bietet die Möglichkeit, sich seinen eigenen Newsfeed zusammenzustellen. Der Newsfeed soll zum Teil personalisierbar sein, nur ausgewählte News werden allen Nutzern angezeigt. Außerdem könne die App das Filtern von redundanten Nachrichten übernehmen und direkt anzeigen, ob es sich um potenzielle Fake-News handelt.

Crossmedia-Kampagne “wasichdarf”

Die Crossmedia-Kampagne “wasichdarf” unseres zweiten Teams zielt in eine ganz andere Richtung. Mit ihr sollen Verhaltensregeln, an die sich jeder in Zeiten von Corona halten sollte, eindeutig und übersichtlich vermittelt werden. Vor allem die lokalen Unterschiede, die gerne mal für Chaos im Kopf sorgen, sollen so einfacher zu verstehen sein. Außerdem soll durch unterschiedliche Formate (Website, Flyer & Co.) ein möglichst breites Spektrum der Bevölkerung erreicht werden.

Instagram Channels “fUNKfORST” und “100 Seconds of Good News”

Die Ideen zweier weiterer Teams beschäftigten sich mit den Möglichkeiten von Instagram-Formaten in Krisenzeiten. Das Team mit der Idee des Instagram-Channels “fUNKfORST” möchte bei den Usern vor allem das Gefühl beseitigen, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Die Idee bringt also Ordnung in den “News-Forst”: Das Wichtigste des Tages zu bestimmten Krisenthemen wird aus unterschiedlichen Quellen selektiert und zusammengefasst.

Das Team des Instagram-Accounts “100 Seconds of Good News” orientierte sich vor allem an der Problematik, dass in Krisenzeiten oft negative Nachrichten omnipräsent sind. Auf ihrem Insta-Channel sollen daher im Gegenzug vor allem positive Neuigkeiten rund um eine Krisenthematik im Mittelpunkt stehen. Grundlegend sind dafür verschiedene Videos, die immer genau 100 Sekunden lang sind. Der Inhalt kann von Interviews, über Home Stories, bis hin zu Tageszusammenfassungen variieren.

“Breitgefächert”: Themen-Thermometer und Stimmungs-Barometer 

Auch bei der Idee des fünften Teams ist der Name Programm: Breitgefächert. Die Website soll den Nutzern die Möglichkeit bieten, zu reflektieren, wie ausgewogen ihr mediales Nutzungsverhalten ist. Mithilfe eines personalisierten “Themen-Thermometers” können die User sehen, über welche Themen sie sich zuletzt besonders viel informiert haben und über welche Themen eher weniger. Außerdem kann jeder Nutzer nach dem Lesen eines Artikels angeben, wie die eigene Stimmung durch den Artikel beeinflusst wurde. Über dieses “Stimmungs-Barometer” sollen die User dazu angeregt werden, ihren Nachrichtenkonsum ausgewogen zu gestalten.

Fazit

Obwohl Teamwork, User Research und Networking im Online-Modus eine ganz neue Herausforderung darstellten, war das Feedback aller Teams am Ende unseres Workshops sehr positiv. Auch wir vom Media Lab Ansbach waren begeistert, wie gut das Format funktioniert hat und welche guten Ideen dabei herausgekommen sind. Und was uns besonders freut: Ein paar der Teilnehmer*innen wollen auch nach dem Workshop an ihrem Projekt weiterarbeiten! Wir werden sie dabei natürlich bestmöglich unterstützen und sind gespannt! Some new media pioneers to come?

Und übrigens: Wenn ihr euch darüber hinaus für Innovationen rund um die Corona-Berichterstattung interessiert, schaut doch einmal in das Innovation Wiki des Media Lab Bayern. Hier listen wir für euch wöchentlich Best Practices von Medienhäusern weltweit, wie sie mit den Herausforderungen der Corona-Krise umgehen.

Ein Artikel von

Elisabeth Ries

Elisabeth Ries studierte Ressortjournalismus und Multimediale Information und Kommunikation an der Hochschule Ansbach. Aktuell ist sie Volontärin an der RTL Journatlistenschule. Seit April 2019 arbeitet sie im Media Lab, zunächst als Werkstudentin im Marketing und Eventmanagement, mittlerweile mit Fokus auf die Blogbetreuung.

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