Abschlussarbeiten im Media Lab | 07.03.2023
Analysen auf Social Media im Zeitalter von Algorithmen
Social Media Marketing war jahrelang das reinste Aufforsten. Durch eine steigende Anzahl an Playern und undurchschaubare Algorithmen ist der Wald jedoch mehr als gesättigt. Mit den sinkenden Erfolgschancen werden Analysen stetig wichtiger. Der Versuch einer kleinen Hilfestellung im Algorithmuswald.
In vielerlei Aspekten ist Social Media Marketing nach wie vor ein mehr als probates Mittel, um Unternehmen zu präsentieren. Dieser Satz könnte so aus dem Jahr 2010 stammen, doch besitzt er noch heute Relevanz. Es existieren dabei zahlreiche Möglichkeiten erfolgreich zu agieren. Doch im Zeitalter von Algorithmen und immer noch zunehmendem Content werden die Erfolgsgarantien – die in diesem Bereich sowieso nie ausgesprochen werden sollten (schönen Gruß an alle Erfolgscoaches) – noch geringer.
David vs. Goliath auf Social Media
Das zumindest war in Auszügen mein Eindruck während meiner Abschlussarbeit, die in Kooperation mit der kicker Matchday GmbH entstand. Ein kleines Team betreibt dort eine Fußballmanager-App und ich habe sie im Social Media Marketing unterstützt. Eines war direkt klar: das Metier wimmelt von starken Konkurrenten. David vs.Goliath auf Social Media sozusagen. Goliath ist in dieser Metapher unter anderem vertreten durch das Team von „Kickbase“, das sehr große Marktanteile besitzt, und das Urgestein der Fußballmanager-Apps „comunio“, das seit dem Jahr 2000 existiert. Auf den ersten Blick eine denkbar schlechte Ausgangsposition für kicker Matchday. Auf den zweiten auch.
Dabei waren die Ausspielinhalte auf den sozialen Kanälen, als ich zum Team stieß, recht informativ und abwechslungsreich. Ein inhaltliches Fundament war gegeben und die Fanbase zudem sehr loyal. Aber es mangelte im Team an Zeit und daraus resultierend auch an Kreativität, die dem Auftritt nach außen den letzten Schliff gegeben hätte. Die mangelnde Zeit von Creatorn ist jedoch nur die Krone des Social-Media-Baums. Unterhalb des sichtbaren Bereichs durchzog sich bei kicker Matchday wurzelartig ein anderes Phänomen, das mich im Laufe meiner Abschlussarbeit zunehmend beschäftigte.
Nicht nur Goliath rüttelt am Ast
Ein durchschnittlicher Nutzer verbrachte im Jahr 2020 zwei Stunden und 24 Minuten pro Tag auf Social Media. Das klingt im ersten Moment viel, muss aber in einer zunehmend digitalisierten Welt mit vielen verschiedenen Playern in Relation gesetzt werden. Einen - wenn auch sehr kurzen und subjektiven- Selbstversuch kann jeder:r von uns mithilfe von Instagram Reels und Konsorten durchführen. Bei mir waren es in einer Minute zehn Videos von zehn verschiedenen Creatorn mit zehn unterschiedlichen Inhalten. Wobei: So divers sind diese Inhalte nicht. Ausschließlich Inhalte, die die eigenen Interessen widerspiegeln, sind heutzutage brauchbar - so zumindest der Konsens der größten Social Media Plattformen. Deswegen ist das Web 2.5 auch durchpfercht von Algorithmen, die zugleich über den Erfolg aller Creator – ob privat oder gewerblich – (mit)bestimmen.
Faktoren, die den Algorithmus beeinflussen, bleiben geheim beziehungsweise undurchschaubar. Wenn etwas davon publik wird, ist es zumeist nichts Gutes. So benachteiligte der Algorithmus von TikTok beispielsweise Menschen mit Behinderungen und verbannte Creator aus nicht nachvollziehbaren Gründen von der Plattform.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Algorithmus ständig überarbeitet wird. Wurzeln, die zu wenig Wasser bekommen, suchen sich eben neue Wege. Die Algorithmus-Bäume jedoch bekommen ihre Stämme nicht voll. Medienwissenschaftlerin Judith Ackermann beschreibt das treffend so: „Man hat das Gefühl, dass der Algorithmus immer wieder versucht, Strategien, die sich die Nutzenden erarbeitet haben, zu zerstören und alles wieder in Chaos zu versetzen.“
Analyse, Analyse, Analyse
In meiner Abschlussarbeit waren deswegen vor der Neuausrichtung der Kanäle die Analysen fundamental. Neben der Auswertung von Umfragen und dem Führen zahlreicher Interviews waren es zwei Tools, die mich begeisterten:
Google Trends
Mithilfe von Google Trends lassen sich die Suchinteressen aller Suchanfragen über unterschiedliche Zeitspektren grafisch darstellen. Für mich war das in erster Linie interessant, um die „Popularität“ der Fußballmanager-Apps direkt miteinander zu vergleichen. Ergebnis: Rund um den Monat August gibt es jährlich einen Peak in den Suchanfragen, was darauf schließen lässt, dass mit Beginn der Bundesligasaison derartige Apps vermehrt gesucht werden und die Werbewirkung dann am größten ist.
Google Trends Grafik über einen Zeitraum von fünf Jahren
Die Werte auf der Y-Achse geben das Suchinteresse relativ zum höchsten Punkt im Diagramm für die ausgewählte Region im festgelegten Zeitraum an. Der Wert 100 steht für die höchste Beliebtheit dieses Suchbegriffs. Der Wert 50 bedeutet, dass der Begriff halb so beliebt ist, und der Wert 0 bedeutet, dass für diesen Begriff nicht genügend Daten vorlagen.
Social-Media-Business-Content-Modell (SoMeBizCo-Modell)
Das SoMeBizCo-Modell ist eine passende Basis für die Entwicklung einer Social Media Kampagne, da das Modell auf ganzheitliche Betrachtung ausgelegt ist. Es ist in acht Handlungskategorien und vier Entwicklungsstufen unterteilt. Die Entwicklungsstufen müssen unter Berücksichtigung vorhandener Ressourcen innerhalb des Unternehmens und dessen Kernkompetenzen eingeordnet werden. Zum Beispiel legt eine Handlungskategorie ihren Fokus auf die Kommunikation zwischen Creator und Follower. Besonders, um sich einen ersten Eindruck über ein Unternehmen machen zu können, ist das SoMeBizCo-Modell sehr hilfreich.
SoMeBizCo-Modell
Der Weg zum Wipfel?
War meine Suche nach dem Erfolg mit Hilfe dieser und weiterer Analysen erfolgreich? Nun, Kicker Matchday hat seine Social Media Aktivitäten seit geraumer Zeit komplett eingestellt. Neben anderen Schwierigkeiten kam auch die Einsicht, dass der Social Media Bereich nicht halbherzig bespielt werden darf, gerade weil der Erfolg immer schwerer zu erreichen ist. Selbst Marketing-Agenturen kappen heutzutage ihre Aktivitäten auf den Portalen. Die Mühen lohnen sich nicht mehr, heißt es zögernd aus der Branche.
Bevor die Bäume vor lauter Algorithmuswald nicht mehr zu sehen sind, kann man sich eben auch bewusst gegen den einen Wald entscheiden und dafür die Wipfel in anderen Bereichen erklimmen – das ist doch auch Erfolg!
Markus hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Du hast auch ein spannendes Thema? Melde dich bei uns!