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28. Mai 2020
Mentor Insights

Growth Marketing für Startups

Growth Marketing für Startups

Unser Growth Hacker, Tomas Herzberger, verrät uns seine 4 größten Learnings über Startup-Marketing aus seinen Workshops im Media Startup Fellowship.

“Ich kann das nicht!” sagte Steffi und schüttelte den Kopf.
“Was kannst du nicht?” fragte ich leicht verwirrt zurück. “Dieses… mich verkaufen”, sagte sie mit leicht angewiederter Miene. “Anbiedern. Das fühlt sich für mich ganz merkwürdig an.”

Ich war leicht sprachlos. Und das passiert mir eigentlich nicht all zu oft.
“Du verkaufst nicht dich”, erwiderte ich. “Sondern dein Produkt.”
“Aber ich will das nicht.”
“Das ist nichts Schlimmes. Das ist Retargeting. Banner-Werbung.”
“Aber das fühlt sich trotzdem komisch an.”

Man sah ihr die moralische Zwickmühle an.

“Ok”, sagte ich. “Aber wenn du niemanden von deinem Unternehmen erzählst, wirst du keinen Erfolg haben. Dann kann dein Produkt noch so gut sein. Niemand außerhalb deines Bekanntenkreises wird davon erfahren. Und dann hast du kein Unternehmen, sondern ein Hobby. Was vollkommen in Ordnung ist - aber nicht der Sinn und Zweck, warum wir hier sind. Denn hier geht es um Wachstum.”

Und damit wären wir schon beim ersten und vermutlich wichtigsten meiner fünf wichtigsten Learnings aus den Workshops, die ich bislang beim Media Lab München Bayern machen durfte: Du musst es wollen! Mehr noch, dein Team muss es wollen.

Learning 1: Das Growth Mindset

Carol S. Dweck ist Professor für Psychologie an der Stanford University. In Ihrem Bestseller “The Growth Mindset” beschreibt sie zwei unterschiedliche Mentalitäten: das “Fixed Mindset” sowie (wer hätte es erraten) das “Growth Mindset”.

Im Kern geht es darum, das Menschen mit dem Fixed Mindset glauben, dass Dinge “in Stein gemeißelt” wären. Entweder ist man gut im Sport oder nicht. Entweder ist man schlau oder nicht. Entweder ist man eine gute Führungspersönlichkeit oder nicht. Alles Begabung, Talent und Veranlagung. Problematisch wird es dann, wenn Menschen mit diesem Mindset den Erwartungen nicht mehr entsprechen können - seien es die Erwartungen anderer oder der eigenen. Denn wenn man trotz hoher Begabung scheitert, ist man in einer Sackgasse.

Soweit so theoretisch. Aber was heißt das für dich als Gründer?

Du musst dich trauen, “vor die Tür” zu gehen. Wenn du ein erfolgreiches Startup gründen, führen und wachsen lassen möchtest, dann kannst du daraus kein Geheimnis machen. Im Gegenteil. Wenn du dein Produkt kundenzentrierst entwickelst und Methoden wie Design Thinking und Lean Startup nutzt, dann musst du mit deinen Kunden sprechen. Früh. Regelmäßig. Oft.

Ansonsten besteht die Gefahr, dass du ein Produkt entwickelst, dass niemand haben möchte.

Es gehört viel Mut und Selbstüberwindung dazu, den Kunden ans Steuerrad zu lassen und das Produkt wirklich so zu entwickeln, damit es seine Probleme löst. Die Kunden-Version deines Produktes ist nämlich mitunter eine ganz andere, als deine. Die Chancen stehen gut, dass das Produkt, dass du dir zu Beginn deiner Entwicklung vorgestellt hast, am Markt nicht bestehen wird, weil die Kunden deine Vision nicht 1:1 teilen. Das macht aber nichts, wenn du die richtige Einstellung hast, dich mental von deinem Produkt lösen und das Wohl des Kunden im Auge hast.

Ebenso braucht es eine gewisse Resilienz gegenüber Fehlern. Denn du wirst “Fehler” machen, das gehört zum Startup”Geschäft” dazu. Neues Produkt, unbekannter Markt - man kann gar nicht von Anfang an alles richtig machen. Du wirst Features bauen, die niemand braucht, du wirst Marketing-Kampagnen starten, die dich nur Zeit und Geld kosten aber keine neuen Kunden einbringen und du wirst das Pricing vermasseln.

All das mögen wir nicht. Niemand von uns. Aber wenn du eine akademische Sichtweise auf Fehler einnimmst, nimmst du ihnen den Schrecken. Dann ist nämlich alles, was du tust, ein Experiment - und dein Job ist es herauszufinden, ob das Experiment gelingt oder nicht. Und wenn es das nicht tut, dann ist das kein “Fehler”, sondern auch ein Ergebnis, aus dem man seine Lehren ziehen kann.

Diese mentale Flexibilität gepaart mit der Fähigkeit schnell reagieren zu können, ist aber ein wichtiger Wettbewerbsvorteil gegenüber der etablierten (und mitunter sehr trägen) Konkurrenz. Insbesondere große Konzerne können ihre Produkte, Marketingaktivitäten oder Preise gar nicht so schnell ändern wie du.

Learning 2: Ja, du machst Marketing. Immer.

Es gibt nichts Schlimmeres als ein Startup im “Stealth Modus”. Also wenn ein Gründer nicht über sein Produkt sprechen will, sondern lieber im stillen Kämmerlein daran arbeitet, um nach laaaanger Zeit irgendwann das vermeintlich perfekte Produkt auf den Markt zu bringen - nur um festzustellen, dass er keine Nutzer hat.

Der Launch deines Produktes ist aber kritisch für deinen Erfolg. Bei aller Agilität: man launcht nur einmal. Und dein Launch beginnt schon, wenn du mit der Arbeit beginnst.

Sprich so früh wie möglich mit anderen Menschen über dein Vorhaben! Nicht nur mit potenziellen Kunden, sondern mit JEDEM! Du wirst überrascht sein, welche Kraft und Dynamik sich dadurch entwickelt:

  • du wirst Menschen finden, die für dich arbeiten wollen
  • du wirst potenzielle Investoren finden
  • du wirst auf mögliche Wettbewerber aufmerksam gemacht, die du vorher noch nicht kanntest
  • du wirst auf etwaige Fallstricke und Fettnäpfchen aufmerksam gemacht werden, die du durch das Gespräch vielleicht vermeiden kannst (zumindest bist du dann mental darauf vorbereitet)
  • Wer nicht sagt “ja, das könnte mir Gefallen, gib mir Bescheid, wenn es so weit ist”, kann zumindest jemanden nennen, für den dein Produkt passen würde. So baust du dir eine Basis an Beta-Testern und Early Adoptern auf.


Du wirst zweifellos auch viele Menschen treffen, die deine Idee für Schwachsinn halten. Die meisten sind zu höflich, dir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Falls das mal nicht der Fall sein sollte, dann frage neugierig nach, woran genau denn dein Startup scheitern könnte… Vielleicht findest du noch einen Hinweis, den du nicht berücksichtigt hattest. Beispielsweise gibt es jemanden in deinem anvisierten Kunden(Unternehmen), der an der Kaufentscheidung beteiligt ist, den du noch nicht auf den Schirm hattest, wie bspw. den Datenschützer, Betriebsrat, HR oder Compliance.

Also: gehe auf Meetups, tausche dich mit anderen Gründern aus, gehe auf Messen und komme mit deinen Kunden ins Gespräch.

Learning 3: Wettbewerbsanalyse

“Du erkennst einen Pionier an den Pfeilen in seinem Rücken”.

Du bist nicht der Erste in deinem Markt. Du bist auch nicht als Erster auf deine Produktidee gekommen. Wenn du noch keinen Wettbewerber gefunden hast, der mindestens ein ähnliches Produkt der gleichen Zielgruppe anbietet, dann

  • hast du nicht gut genug gesucht
  • schau mal ins Ausland
  • gab es dieses Produkt vielleicht schon mal, ist aber nicht mehr am Markt. Aus Gründen. Vielleicht aus positiven Gründen (= Unternehmen wurde bereits gekauft), vielleicht aus negativen (= Unternehmen ist bereits pleite gegangen mangels Nachfrage).

Viele Startups vernachlässigen diese Wettbewerbsanalyse und nehmen sich damit die Chance auf einen echten Wissen-Schub. Denn wenn du die anderen Marktteilnehmer kennst, dann kennst du auch ihre Stärken und Schwächen. Das gilt für das Produkt ebenso wir für das Marketing.

Beispielsweise ist es gut möglich, dass alle Wettbewerber die gleiche Zielgruppe mit ziemlich genau den gleichen Argumenten avisieren. Das geschieht insb. in gesättigten Märkten wie bspw. der Finanzbranche relativ oft. Somit besteht deine Chance darin, dich vom Wettbewerb zu unterscheiden, und wenn es nur in der Kommunikation (= Marketing) ist. Das ist einer der Gründe für den Erfolg von N26 oder Kontist: Sie sprechen ihre Zielgruppe komplett anders an, als es traditionelle Banken tun. Sie können das tun, weil sie sich auf eine Nische konzentrieren und es deswegen nicht allen Recht machen müssen. Deswegen können sie zielgenauer und mutiger kommunizieren, als der Wettbewerb.

Ein hilfreiches Tool bzw. Modell für die Positionierung ist die Lymbic Map.

Neben strategischen Fragen wie der Positionierung kannst du aber auch auf taktischer Ebene viel vom Wettbewerb lernen:

  • Wo werden Anzeigen geschaltet?
  • Wie sehen diese Anzeigen aus? Welche Texte werden verwendet? Wie ist die Tonalität?
  • Auf welche Landingpages wird verlinkt? Wie wird der potenzielle Kunde dort abgeholt, was sind die nächsten Schritte?

Es gibt eine Reihe von Tools, die dir bei der Analyse deines Wettbewerbs helfen können, bspw. SEMRush und Similarweb.

Learning 4: Fokus

Eines der ersten Aktionen eines jeden Startups ist der Kauf einer Domain. Kurz danach werden sich schnell die passenden Social Media Accounts gesichert und das kleine Team fühlt sich verpflichtet, auf Instagram, Facebook, Twitter, LinkedIn, Xing, Medium und (wie ich befürchte) TikTok über die neuesten Abenteuer des Bürohunds zu berichten.

Lass das!

Nicht nur, dass es niemanden interessiert, du verfällst auch schnell in einen Aktionismus. Denn wenn man auf Social Media postet, fühlt sich das an wie zielführende Arbeit - was es aber häufig nicht ist. Es ist einfach nur Rauschen.

Gerade zu Beginn sind deine wichtigsten Ressourcen Zeit und (personelle wie finanzielle) Kapazitäten. Deine wichtigste Aufgabe ist es daher zu entscheiden, wie diese Ressourcen eingesetzt werden. Die Erzeugung von “Rauschen” gehört nicht dazu.

Social-Media-Marketing kann dazu beitragen, dass dein Start-up erfolgreich sein wird. Aber nur weil du Social-Media-Marketing machst, wirst du nicht erfolgreich sein.

Für dich ist es wichtig, dich zu fokussieren! Deine Aufgabe: Finde den richtigen Kanal und den richtigen Inhalt für die richtige Zielgruppe (= deine Kunden) - und fokussiere dich darauf, diesen Space zu rocken! Du brauchst keinen Twitter Account, wenn 90% deiner potenziellen Kunden überhaupt auf Twitter aktiv sind. Du brauchst auch keinen Podcast, wenn deine Kunden keine Podcasts hören!

Klar, macht das Spaß.
Klar, sieht das von außen gut aus.
Aber oftmals ist es nur Rauschen, das dir keine neuen Partner oder Kunden einbringt.

Deswegen solltest du im Rahmen deiner Zielgruppen-Analyse bzw. Persona-Erstellung auch herausfinden, welcher Kanal sich für das Marketing deines Produkts am besten eignet. Und dann auf diesem einen Kanal Vollgas geben!

Das sind die Fellow Learnings

 

Und was unsere Fellows aus Batch #6 in neun Monaten Media Startup Fellowship bei Tomas und anderen Coaches gelernt haben, könnt ihr hier nochmal nachlesen!

>> Hier gehts zu allen MSF #6 Learnings

Text: Tomas Herzberger

Tomas Herzberger

Tomas Herzberger ist seit 2006 im Digital Marketing tätig und seit 2015 selbstständiger Interim-Manager, Berater und Coach. Sein Wissen vermittelt er auch als Speaker und  Co-Autor des Bestsellers “Growth Hacking: Mehr Wachstum, mehr Kunden, mehr Erfolg” sowie “Think Growth”. Er ist Mentor für Startups (u.a. Unibator der Goethe-Universität Frankfurt und New Media Accelerator) sowie Initiator der Growth Hacking Meetups in Frankfurt, München und Wien und Co-Founder von Stratos.

Mehr Infos:
https://tomasherzberger.net/

 

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