Best Cases | 18.02.2022

Das Second Brain - Ein Tool, um die Flut von Informationen zu stemmen

Foto: Irina Popova | Adobe Stock

Den Wunsch kennen wahrscheinlich viele: bei all den Informationen, die man verarbeiten muss, braucht man im Grunde ein zweites Gehirn. Oder zumindest eine Möglichkeit, es an den Computer anzuschließen und automatisch das Wissen zu übertragen, das man speichern möchte. Klassische To-Do-Listen reichen irgendwann einfach nicht mehr aus. Die Alternative heißt, Wissen assoziativ abzuspeichern. Was das bedeutet, erklären wir hier im Blog.

Wir sind es gewohnt, neue Informationen für uns selbst in Listen und Ordnern abzuspeichern. Auch die meisten Organisations-Tools arbeiten mit Strukturen, die oft hierarchisch angeordnet sind. Das heißt: wichtige Informationen landen oben und werden nach Bedeutung oder Dringlichkeit darunter angeordnet. In der Regel dienen diese “Informationssilos” als Gedankenstütze, um uns an Aufgaben zu erinnern, die zu erledigen sind.

Für klassische To-Dos reicht das auch aus. Wer aber mit sehr vielen Informationen arbeitet, für den sind reine Aufbewahrungsorte irgendwann nicht mehr genug. Die darin aufbewahrten Infos müssen irgendwie miteinander in Verbindung gebracht werden, um Sinn zu ergeben. Hier kann es helfen, die Informationen assoziativ zu speichern. Assoziativ denken oder lernen bedeutet, neues Wissen mit bereits Bekanntem zu verknüpfen.

Was ist ein Second Brain?

Das Konzept entstammt den Wunsch, einen Teil der eigenen Gedächtnisleistung auslagern zu können. Das betrifft:

  • Dinge, an die man sich später erinnern will
  • Aufgaben, die noch zu erledigen sind
  • Interessante oder nützliche Informationen, denen man begegnet und die man “für später” abspeichern möchte
  • Ergebnisse aus Recherchearbeit

Gewöhnliche Listen und Ordner ermöglichen uns, dieses Wissen zu speichern und vielleicht auch nach Bedeutung und Dringlichkeit zu ordnen. Abgesehen davon passiert mit den Informationen aber nichts weiter. Sie sind abgeheftet und müssen von uns, sobald wir sie abrufen, wieder aufgearbeitet werden. Wer mit vielen To-Dos arbeitet, kennt vielleicht das Problem: eigentlich braucht man zusätzlich Notizen, die erklären, was man denn jetzt mit den dort hinterlegten Informationen nochmal anstellen will.

Das zweite Gehirn soll diese Informationen ordnen und so aufbereiten, dass man gedanklich “Platz schafft”, um sich auf akute Aufgaben zu konzentrieren. Darüber hinaus leistet es die Aufbereitung aber auch schon, indem es die Informationen assoziativ verknüpft.

Wie hilft dir so ein Tool konkret?

Ganz konkret heißt das: Du hast eine Datenbank, die es dir erlaubt, Informationen logisch miteinander zu verbinden. Zum Beispiel überlegst du vielleicht, synthetische Videos für dein Marketing zu nutzen. Dafür legst du in der Datenbank deines Second Brains ein klassisches Dashboard an, also eine Hauptseite, die wie bei einer Website als Übersicht all deiner Informationen zum Thema funktioniert. Bei deiner Recherche stößt du auf ein Video-Tutorial, das dir weiterhilft, also speicherst du es auf dem Dashboard ab. Du merkst aber gleichzeitig, dass die Ersteller des Videos auch zu anderen Themen, die dich interessieren, Tutorials anbieten. Zum Beispiel zu Video-Marketing auf Social Media Plattformen.

Also kannst du das auf deinem Dashboard gespeicherte Video gleich mit einer Seite verbinden, die du für Video-Marketing auf Social Media Plattformen angelegt hast. So baust du nach und nach ein Netzwerk aus Informationen auf, die miteinander in Verbindung stehen.

Tool-Entwicklung mit zwei oder mehr Gehirnen

Steffen Bleher und Michael von Hohnhorst bieten mit capacities ein Tool an, um die Idee vom Second Brain in die Tat umzusetzen. Dabei profitieren sie von ihren eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Wissensdatenbanken und im assoziativen Umgang mit Informationen aus der Informatik. In Programm- und Code-Datenbanken wie Github werden Informationen schon lange assoziativ gespeichert.

Gleichzeitig stellen sie schon im Studium fest: außerhalb des Tech-Bereichs werden verknüpfte Datenbanken, die Wissen entsprechend speichern und kategorisieren, noch nicht wirklich effektiv genutzt. Und selbst in der Wissensvermittlung der universitären Lehre setzt man noch immer auf Powerpoint-Präsentationen und statische Formate, obwohl man doch längst Zugriff auf viel interessantere, technische Möglichkeiten hat. Also setzen sie sich ein klares Ziel: die neue Art, Informationen und Menschen auf moderne Art und Weise zu organisieren und miteinander zu verknüpfen und außerhalb der Tech-Bubble zur Verfügung zu stellen.

Die erste Zielgruppe, auf die sich die Beiden konzentrieren, liegt dann eben auch in der Wissensvermittlung: Lehrer:innen. Der Gedanke liegt nahe: Lehrende müssen viele Informationen einordnen, kategorisieren und für die Lehre aufbereiten. Das Problem: neue Methoden umzusetzen, ist im lehrenden Umfeld gleichzeitig oft äußerst schwierig und langwierig.

Gehirnjogging: Zielgruppe neu definieren

Nachdem aus dem User Research deutlich wird, dass das Second Brain für Lehrende zunächst keine gute Lösung zu sein scheint, konzentrieren sich Steffen und Michael auf das deutlich breitere Gebiet der Knowledge Worker. Der Begriff umfasst Menschen, die ihr Wissen als berufliches Hauptkapital definieren, also alles von Akademiker:innen, Wissenschaftler:innen und Programmierer:innen bis hin zu Berater:innen und Anwält:innen. Alle, die möglichst viele Informationen sammeln und für ihre Arbeit kategorisieren und anwenden möchten und deswegen ein Bedürfnis haben, diese auch schnell und praktikabel aufbereiten zu können.

Ein weiterer, essentieller Faktor in der Arbeit von Knowledge Workern ist das Netzwerk und die Interaktion mit Kolleg:innen in gleichen oder angrenzenden Berufsfeldern. Auch hier kann das Second Brain eine enorme Erleichterung sein, wenn persönliche Datenbanken die Möglichkeiten bieten, sich mit anderen Wissensspeichern zu verbinden. So entstehen Communities aus miteinander kombinierten Informationsnetzwerken, wie sie im Tech-Bereich durch Plattformen wie Obsidian bereits seit einiger Zeit zum Standard gehören. Und der Anspruch von capacities, diese neue Art der Informationsverarbeitung Menschen außerhalb von Informatik und Programmierung zur Verfügung zu stellen, rückt damit ein ganzes Stück näher.

Nächster Schritt: Ein starkes Netzwerk aufbauen

Zielgruppe ist definiert, das Tool ist gebaut. Natürlich muss es jetzt noch Nutzer:innen finden, die davon profitieren. Capacities setzen früh auf einen stark fokussierten Ansatz: nach einer ersten Bewerbung über einen Newsletter, auf den bereits 300 Downloads folgen, legen sie einen Twitter-Account an und konzentrieren sich auf die Interaktion mit ihren Nutzer:innen. So sehen sie nicht nur, wer sich für das Tool registriert hat, sondern können an der Zahl derer, die dem Account folgen, auch gut ablesen, wer sich wirklich damit beschäftigt. Es gibt ihnen recht: knapp 120 Follower:innen generieren sie früh und stellen über Anfragen der Nutzer:innen fest, dass die Zielgruppe das Tool nicht nur nutzt, sondern sich aktiv an dessen Aufbau und Ausgestaltung beteiligt.

Das gibt capacities die Möglichkeit, das Tool spezifisch auf die Zielgruppe anzupassen, die das Second Brain auch tatsächlich nutzt. Und bereits so entsteht das starke Netzwerk, auf dem das Tool selbst aufbaut.

Second Brain ist Open Source Brainpower

Durch die Interaktion und Verknüpfung von Wissen, Informationen und Datenbanken ist ein völlig neuer Weg der Informationsverarbeitung möglich. Capacities nutzt diese Methode bereits, um ihr eigenes Produkt zu verbessern und eine starke Community aufzubauen, die daran mitwirkt. Ein ganz elementarer Bestandteil von ähnlichen Datenbanken ist dieser Open Source Ansatz. Das Verbinden von Wissen und Informationen beschleunigt, erleichtert und verbessert Prozesse, die gerade für Knowledge Worker und alle, die viele Informationen zu verarbeiten haben, von großer Bedeutung sind: Recherche, Kreativität und die Anwendung von gespeichertem Wissen.

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