Abschlussarbeiten im Media Lab | 04.04.2024

Die Zukunft des Hörfunks: Vielfalt in den Redaktionen

Der öffentlich-rechtliche Hörfunk befindet sich inmitten einer spannenden Transformation. Mehr Diversität in den Redaktionsteams kann neue Möglichkeiten eröffnen. Was aber tut ein öffentlich-rechtliches Kulturradio für diversere Redaktionen? Und was sind dabei Herausforderungen und Handlungsspielräume?

Die öffentlich-rechtlichen Hörfunkredaktionen stehen vor einem epochalen Wandel: Die sogenannte Boomer-Generation tritt in den Ruhestand, und damit einher geht die Notwendigkeit, Programme zu modernisieren und ein breiteres, vielfältigeres Publikum anzusprechen. Unter dem Schlagwort Diversität wird nicht nur soziale Gerechtigkeit thematisiert, sondern auch die Repräsentation verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in den Medien und den Redaktionen selbst. Organisationen wie der Deutsche Journalisten-Verband oder die Neuen deutschen Medienmacher*innen haben in den letzten Jahren immer wieder mehr Diversität in Redaktionen gefordert. Das habe ich bereits in meinem letzten Gastbeitrag (Link) näher erläutert.

In meiner Masterarbeit Radio, Redaktion, Vielfalt werfe ich einen genaueren Blick darauf, wie ein öffentlich-rechtliches Kulturradio die Herausforderung der Diversität in seinen Redaktionen angehen kann. Besonders die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten sollten dieser Aufgabe gerecht werden. Schließlich haben sie den verfassungsrechtlichen Auftrag, ihr Programm für alle Mitglieder der Gesellschaft zu gestalten. In einem Bericht des Deutschlandradio aus dem Jahr 2022 heißt es zu bereits 2019 formulierten strategischen Zielen: „”Die Belegschaft von Deutschlandradio soll jünger und vielfältiger werden.” Dahinter steht die Erkenntnis, dass es einer diversen Belegschaft leichter gelingen kann ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit zu vermitteln.“ Aber welche gesellschaftlichen und medieninhärenten Strukturen verhindern diversere Teams und welche fördern sie? Mit qualitativen, problemzentrierten Interviews habe ich die Perspektiven und Erfahrungen der festangestellten und freien Mitglieder einer Redaktion von Deutschlandfunk Kultur erforscht. Aus den Gesprächen konnte ich verschiedene Handlungsempfehlungen erarbeiten.

Vorgehen gegen traditionelle Hierarchien und eingestaubtes Image

In traditionellen Medienorganisationen herrscht oft eine hierarchische Struktur vor, die wenig Bewegungsfreiheit und Flexibilität in den redaktionellen Teams bietet. So auch bei Deutschlandfunk Kultur. Mitarbeitende fühlen sich von dieser Struktur eingeschränkt und haben wenig Einfluss auf wichtige Entscheidungen. Dies betrifft sowohl finanzielle als auch programmatische Aspekte, was die Umsetzung von Redaktionsentwicklungen behindern kann. Interessanterweise versuchen die Mitarbeitenden dort, wo Handlungsspielraum besteht, Einfluss auf die Bewerbungs- und Einstellungsprozesse anhand von sich eigenständig auferlegten Diversitätskriterien zu nehmen. Die interviewten Personen erwähnten ihren Wunsch nach einer diverseren Redaktion, die verschiedene Kompetenzen, Meinungen, Perspektiven und Kenntnisse repräsentiert. Während die Organisationsstruktur also als klassisches, hierarchisches Top-Down Management funktioniert, finden Diversifizierungsprozesse vor allem in einem Bottom-Up-Verhältnis statt, sofern der Handlungsspielraum dies zulässt. Dabei spielten Wechsel in den Führungspositionen der erforschten Abteilung eine wichtige Rolle, die die Wünsche nach Diversität berücksichtigten und für das Personal beim Neueinstieg in die Redaktion begrüßten. Dies verdeutlicht, wie flexiblere Führungspositionen und ein offener Umgang mit Positionen im Spektrum von sozialer Ungleichheit positive Auswirkungen auf die personelle Besetzung haben können. 

Währenddessen wird der Sender von außen als unnahbar, renommiert und schwer erreichbar wahrgenommen. Ein Image, was Diversitätsprozessen erheblich im Weg stehen kann. „Ein Medienunternehmen, das weder in seiner Berichterstattung noch beim Personal Diversität vorlebt, hat kaum Chancen, als attraktive Arbeitsstätte zu gelten“ – betonen die Neuen deutschen Medienmacher*innen in ihrem Diversity Guide. Dies erfordert Offenheit und Vielfalt in der Berichterstattung und im Auftreten des Senders. Um eine breitere Zielgruppe anzusprechen und ein potenziell diverses Personal anzuziehen, sollte das öffentlich-rechtliche Kulturradio an seinem Außenbild arbeiten. Für diese Herausforderungen sind innovative Ansätze, die Flexibilität und Vielfalt in traditionellen Medienorganisationen fördern, unerlässlich. Die Workforce Diversity and Inclusion der BBC hat beispielsweise ein Tandem zwischen jungen und alten Mitarbeiter*innen etabliert, bei dem leitende Angestellte Mentor*innen unter 30 Jahren haben, was die typische Hierarchie durchbricht und einen wertvollen Austausch ermöglicht.

Anerkennen von Vielfalt in den journalistischen Ausbildungswegen

In der Welt des Journalismus gibt es viele Pfade, die zum Erfolg führen können – das ist eigentlich eine gute Nachricht für Diversität in den Redaktionen. Doch diese Wege sind nicht einfach alternative Optionen, sondern oft Voraussetzungen, die sich ergänzen und anhäufen. Es geht nicht nur um ein Studium oder ein Volontariat, sondern um beides. Gleiches gilt für die journalistische Ausbildung und Erfahrung in der redaktionellen Mitarbeit als Freie*r – die Kombination aus beidem ist oft entscheidend. Der Wechsel von Frei auf Fest ist außerdem oft extrem schwierig. Gerade diese Anforderungen könnten für viele potenzielle Talente eine Hürde darstellen, um in die Redaktionen zu gelangen, denn die Akkumulation von Zugangsvoraussetzungen sind sowohl kosten-, als auch zeitintensiv. Hinzu kommen unbezahlte Praktika, unterbezahlte Volontariate und Aufträge oder Jobangebote, die nur durch Kontakte vergeben werden. Diese Voraussetzungen erschweren den Zugang zum journalistischen Beruf erheblich. Volontariatsprogramme mit niedrigschwelligen Zugangsbedingungen, gut bezahlte Praktika und Kooperationen mit Bildungseinrichtungen (z.B. Schulen und Freizeitzentren) zählen daher zu den wichtigen Maßnahmen für diversere Redaktionen.

Klare Kommunikation statt akademischer Sprache

Im Radio muss die Sprache einfach und verständlich sein. Kurze Sätze und einfache Konstruktionen sind dabei entscheidend, um die Zuhörer*innen zu erreichen. Akademische Sprache hingegen, die durch komplexe Konstruktionen und Fachwörter geprägt ist, kann das Verständnis erschweren. Daher ist es wichtig, dass nicht nur Akademiker*innen, sondern Menschen mit verschiedenen Hintergründen in den Redaktionen vertreten sind, um eine klare und zugängliche Kommunikation zu gewährleisten.

Daten, Daten, Daten - auch innerhalb des Unternehmens

Besonders entscheidend ist jedoch, Daten zur Diversität im Unternehmen zu erheben. Die Neuen deutschen Medienmacher*innen bringen es in ihrem intersektionalen Diversity Guide zu Diversität im Medienhaus auf den Punkt: „Wer nicht gezählt wird, zählt nicht“. Eine solche Datenerhebung hilft dabei, den aktuellen Stand von Diversität zu verstehen und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung umsetzen zu können. Sie ist unerlässlich für ein Medienunternehmen, welches das Thema Diversität in seiner Redaktion ernst nimmt.

Ein Plädoyer für strukturelle Veränderungen

Meine Masterarbeit verdeutlicht, wie strukturelle Machtverhältnisse den beruflichen Werdegang von Kulturhörfunkjournalist*innen beeinflussen können. Um Ungleichheiten auszugleichen, ist es entscheidend, dass öffentlich-rechtliche Sender sich für Förderprogramme und Kooperationen engagieren. Die Entwicklung erster Handlungsempfehlungen speziell für das Kulturradio, im Rahmen meiner Masterarbeit, unterstreicht die Bedeutung von Diversitätsmaßnahmen und einem klaren Konzept. Es ist entscheidend, bewährte Praktiken und Strategien zur Diversifizierung von Redaktionsteams hervorzuheben und ihnen zu folgen. Dabei hat das Kulturradio den Vorteil, dass in den letzten Jahren bereits andere Sender und Medienunternehmen größere Schritte in Sachen Diversität unternommen haben, die nun als Modell dienen können. Gleichzeitig bietet das öffentlich-rechtliche Kulturradio durch seine fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema "Diversität" großes Potenzial, Veränderungsprozesse in den Redaktionen anzustoßen. Dies erfordert jedoch ein klares Bekenntnis zur Diversität von Seiten der Führungsebene sowie die Bereitstellung entsprechender Ressourcen.

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Ein Artikel von

Marie Hecht

Marie Hecht – Kulturwissenschaftlerin, Journalistin und Audioproduzentin - schreibt ihre Masterarbeit an der Universität der Künste Berlin. Bereits in ihrer Jugend produzierte sie begeistert Radiobeiträge für den Bürgerfunk ihrer Heimatstadt. Seitdem hat sie ihre Leidenschaft für Audio-Storytelling nicht mehr losgelassen. Zuletzt produzierte sie für Gründerszene die Podcastserie Cashburners: Die Gorillas Story. Als freie Journalistin arbeitet sie u.a. für Deutschlandfunk Kultur, WDR und rbb.

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