Abschlussarbeiten im Media Lab | 21.06.2022
Dünn, dick – oder egal? Was Instagram mit unserem Selbstbild macht
Dünn, durchtrainiert und sexy: Dieses Bild bekommen Jugendliche jeden Tag auf Instagram gezeigt. Kein guter Startpunkt, um ein gesundes Verhältnis zu seinem Körper herzustellen und erst recht nicht, wenn die:der Lieblingsinfluencer:in genau dieses Ideal präsentiert. Ist unser Aussehen wirklich so wichtig und gibt es eine Chance, den Jugendlichen die Augen über ihre wahre Schönheit zu öffnen?
Fünf Monate lang habe ich mich im Zuge meiner Bachelorarbeit und mithilfe des Media Lab Ansbach intensiv mit dem von Influencer:innen kreierten Schönheitsbild auf Instagram und deren Auswirkungen auf jugendliche Mädchen beschäftigt. Schließlich ist Instagram eines der wichtigsten sozialen Medien und das nicht nur für Erwachsene. 80 Prozent der 16- bis 18-Jährigen haben einen Account und die Zielgruppe wird immer jünger.
Im Rahmen meiner Forschung habe ich mehrere Aspekte beleuchtet. Es ist nicht zu leugnen, dass Instagram zum großen Teil zur Selbstdarstellung und Vermarktung genutzt wird. Allein die Instagram-Account-Analyse von Influencerin Pamela Reif zeigte, dass die Inhalte sehr auf die ästhetische Schönheit ausgelegt sind und damit das Fundament für idealisierte Schönheitsbilder kreieren. Schlank, durchtrainiert, sexy und in allem erfolgreich. So scheint das Leben von vielen Influencern auf Instagram zu sein. Doch ist das wirklich die Realität? Bei meiner Online-Umfrage antworteten über 90 Prozent der 232 teilnehmenden Jugendlichen mit „Nein“. Damit scheint das Bewusstsein über die Fake-Darstellung auf Instagram sehr hoch zu sein. Ob das auch mit Gegenbewegungen wie der Body Positivity Bewegung zusammenhängt? Denn neben den idealisierten Schönheitsbildern schwirren auch ganz andere Vorbilder auf Instagram herum und 80 Prozent der Befragten wussten auch ganz genau, um was es sich bei Body Positivity handelt.
Body Positivity: Liebe deinen Körper!
Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, habe ich nachgeforscht woher überhaupt die Body Positivity Bewegung kommt. In den 60er-Jahren bildete sich in den USA die sogenannte Fat Acceptance Movement, die darauf aufmerksam machen wollte, welchen Herausforderungen sich Menschen mit höherem Gewicht tagtäglich stellen müssen. Dabei waren Respekt, Akzeptanz und Anerkennung grundlegende Forderungen der Fat Acceptance Movement. Genau daraus hat sich später die Body Positivity Bewegung entwickelt. Die Hauptbotschaft lautet: Liebe dich selbst, denn alle Körper sind schön. Daraufhin haben Menschen angefangen, Bilder und Videos ins Netz zu stellen, auf denen ihre sogenannten Makel klar und deutlich zu erkennen sind.
Melodie Michelberger steht zu ihren Kurven
Als Beispiel für eine Body Positivity Aktivistin gilt Melodie Michelberger. Sie arbeitete mehrere Jahre bei Frauenzeitschriften wie Gala oder Brigitte und wurde ständig mit den neuesten Diäten und Trends konfrontiert. In diesen Jahren entwickelte sie eine immer schlechtere Beziehung zu ihrem Körper und machte eine Diät nach der anderen, bis sich schwere Folgen bemerkbar machten: Körperselbsthass, Erschöpfungsdepression und Burn-out. Erst mithilfe einer Therapie schaffte es die heute 45-Jährige, sich von alten Glaubenssätzen zu befreien und ihren Körper zu schätzen. Ihr eigenes Schicksal motiviert die Aktivistin, auch anderen zu helfen. Auf Instagram hat Michelberger bereits über 63.000 Follower:innen und postet regelmäßig Inhalte, auf denen sie stolz ihren Körper präsentiert und zu ihren Rundungen steht. Damit möchte sie auch andere Frauen dazu motivieren, ihren Körper voll und ganz zu lieben.
Setzt Body Positivity dem Schönheitsideal ein Ende?
Aber hilft Body Positivity wirklich, dem Schönheitsbild entgegenzuwirken und Menschen dazu zu bewegen, ihren Körper zu lieben? Neben Vertretern der Body Positivity Bewegung gibt es auch Kritiker:innen wie Sozialpsychologin Anuschka Rees. Sie war eine wichtige Expertin bei meinen Recherchen. Für sie ist Body Positivity zwar ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch nicht die Lösung, das mediale Schönheitsideal zu durchbrechen. „Wir haben der Body-Positivity-Bewegung viel zu verdanken: Sie hat das Bewusstsein geweckt, wie unrealistisch und diskriminierend unsere Schönheitsideale sind,“, erklärte Rees 2019 in einem Interview mit ZEIT ONLINE. Nichtsdestotrotz gehe es bei Body Positivity auch um einen gewissen Druck. Die Idee sei schließlich, dass man den eigenen Körper lieben muss, um glücklich und erfüllt zu sein.
Genau hier entstehen wieder neue Erwartungen. Denn ein Mensch mit einem gesunden Körperbild liebt seine Hüften nicht mehr als ein anderes Körperteil. Und laut Rees liegt genau hier der Schlüsselfaktor. Der Grund, weshalb einige Menschen eine gesunde Beziehung zu ihrem Körper hätten, sei, dass sie keinen hohen Wert auf ihr Äußeres legten.
Body Positivity schafft es also nicht, das mediale Schönheitsbild zu brechen, denn dann würden wir heute keine abgehungerten und übertrainierten Influencer:innen mehr auf Social Media sehen. Für Anuschka Rees und andere Kritiker:innen der Body Positivity kommt an dieser Stelle Body Neutrality ins Spiel.
Body Neutrality – Ist unser Körper überhaupt wichtig?
„Bei Body Neutrality geht es darum, die Bedeutung, die wir unserem Aussehen beimessen, zu reduzieren. Schönheit hat in unserer Gesellschaft einen viel zu hohen Stellenwert. Anders als bei Body Positivity ist das Ziel also nicht, den eigenen Körper zu lieben oder seine Pickel schön zu finden. Das Ziel von Body Neutrality ist, das Selbstwertgefühl sehr viel weniger an die äußere Erscheinung zu koppeln,“, erklärt Anuschka Rees bei ihrem Interview mit der ZEIT ONLINE. Body Neutrality motiviert also Frauen dazu, ihren Körper neutral zu betrachten. Das Aussehen sollte nur ein Wert von vielen sein, die das Selbstwertgefühl von Frauen bestimmen. Das klingt einleuchtend, schließlich können wir tagtäglich beobachten, wie sehr es oftmals nur um das Äußere geht und andere Werte dabei in den Hintergrund rücken. Kein Wunder also, dass über die Hälfte der von mir befragten Jugendlichen unzufrieden mit ihrem Äußeren ist, nachdem sie längere Zeit auf Instagram verbracht hat und dort ständig mit dem (perfekten) Aussehen konfrontiert wurde.
Zukunft ungewiss
Ob Body Neutrality am Ende wirklich gegen das Schönheits-Dilemma ankommt, konnte ich im Rahmen meiner Arbeit nicht herausfinden. Dafür steckt die Bewegung noch zu sehr in den Kinderschuhen und bräuchte deutlich mehr Anhänger:innen, um eine Veränderung feststellen zu können. Zudem bräuchten beide Bewegungen noch mehr mediale Aufmerksamkeit, um beispielsweise bis zur Werbeindustrie durchzudringen. Die Body Positivity Bewegung hat hier schon einen klaren Vorsprung; ob Body Neutrality nachzieht, wird sich zeigen.
Bettina hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Mehr zum Programm gibt es hier!