Events | 26.06.2024
Futures Thinking: Wie wir Zukunft ohne Klischees denken können
Die Zukunft ist ungewiss und nicht vorhersehbar. Die Methode ‘Futures Thinking’ hilft dabei, sich trotzdem aktiv und kreativ Gedanken über die Zukunft zu machen. Simone Engelhardt und Rubén Granados Hughes von der Zukunftsagentur Shape of New haben uns in einem Workshop gezeigt, wie das geht.
Futures Thinking kurz erklärt
Wie sieht die Welt wohl in zehn, 20 oder 50 Jahren aus? Schließ kurz deine Augen und stell dir die Zukunft vor. Welche Bilder hast du im Kopf?
In vielen Köpfen entsteht ein Bild der Zukunft, das von Klischees besetzt ist: Roboter, fliegende Autos und futuristische Städte. Genau kann aber niemand sagen, wie die Welt in der Zukunft aussehen wird,denn sie ist ungewiss und entwickelt sich nicht linear. Es gibt also nicht die eine Zukunft, die vorhersehbar, eindeutig oder vorbestimmt ist, sondern verschiedene Zukünfte.
Futures Thinking - also Zukunftsdenken - beschäftigt sich mit ebensolchen Gedankenspielen über Zukünfte. Ziel ist es, das Zukunftsdenken fernab von Klischees anzugehen, dadurch ins Handeln zu kommen und die Zukunft aktiv zu gestalten.
💡 Handeln in der Gegenwart gestaltet die Zukunft.
Menschliche Fähigkeiten in einer technologisierten Zukunft
Künstliche Intelligenz (KI) und automatisierte Systeme übernehmen schon heute immer mehr Aufgaben. Dadurch steigt auch die Befürchtung, dass diese Technologien uns Menschen in Zukunft ersetzen. Allerdings gewinnen die Fähigkeiten, die uns als Menschen auszeichnen und die Maschinen nicht replizieren können, gerade durch diese Entwicklung an Bedeutung. Dazu zählen unter anderem tiefgreifende menschliche Erfahrungen, Empathie, komplexe Kreativität, ethisches Urteilsvermögen, Moral und Selbstwirksamkeit. Wichtig ist, diese menschlichen Fähigkeiten nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung zu technologischen Fähigkeiten zu sehen.
💡 Die Zukunft der Mensch-Maschinen-Interaktionen bedeutet eine Kombination von menschlichen Kompetenzen mit technologischer Effizienz und Präzision.
Mit Future Skills die Zukunft meistern
Um sich bestmöglich auf technologisierte und andere Zukünfte einstellen zu können, lohnt es sich, bestimmte Kompetenzen zu erlernen:
- Digitale Schlüsselkompetenzen:
Zu diesen Skills gehören ein Grundverständnis für die Nutzung digitaler Technologien und die Fähigkeit, effektiv und angemessen über digitale Plattformen zu kommunizieren. - Klassische Kompetenzen/Soft Skills:
Dazu zählen kritisches Denken und die Fähigkeit, Informationen objektiv zu analysieren und zu bewerten, außerdem Teamfähigkeit und Kommunikationsskills. - Transformative Kompetenzen:
Wer neue Ideen entwickeln und umsetzen kann und anpassungsfähig für unvorhergesehene Situationen ist, bewältigt die Transformationen, die zukünftige ökologische, ökonomische und soziale Herausforderungen nach sich ziehen, leichter - Technologische Kompetenzen:
Zukünftig wird es immer unabdingbarer, ein Grundverständnis der Prinzipien von KI und deren Anwendungsmöglichkeiten zu haben, Daten analysieren zu können sowie Grundkenntnisse in Programmiersprachen und Softwareentwicklung zu haben.
Mit Futures Journalism den Journalismus transformieren
Bei Blick auf die Zukunft darf auch der Blick auf zukünftigen Journalismus nicht fehlen. Schwindendes Nachrichteninteresse und steigende Nachrichtenvermeidung, wie Studien sie unserer Gesellschaft attestieren, können dazu beitragen, Hoffnungslosigkeit und Resignation zu erzeugen. Damit einhergehen kann auch eine mangelnde Motivation, die Zukunft mitgestalten zu wollen. Gleichzeitig existiert auf Seiten des Publikums aber das Bedürfnis nach positiven, hoffnungsvollen Perspektiven und der Wunsch nach Inspiration, Partizipation und dem Verständnis für komplexe zukünftige Zusammenhänge.
Die transparente Auseinandersetzung mit Zukünften im Journalismus erfordert auch ein Umdenken und neue Fähigkeiten in der Berichterstattung. Mögliche neue Berufe könnten sein: Szenario-Entwickler:in, Ethik-Beauftragte:r, Future Experience Hosts, Narrative Visionär:innen, Community-Builder oder Future News Desk. Fallen dir weitere Berufe ein?
💡 Wenn Menschen Komplexität verstehen wollen, sollte es keine Verkürzung der Recherche geben. Vielmehr müssen neue Jobs entstehen, um diesen neuen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Zukunftsvisionen mit dem Futures Wheel
Um die Theorie in die Praxis umzusetzen, spielten wir im Workshop mit Simone Engelhardt und Rubén Granados Hughes in Gruppen Futures Thinking durch. Dabei nutzten wir die Methode “Futures Wheel”, mit der in vier Schritten verschiedene Szenarien durchdacht und erstellt werden:
- Step 1: Einen Trend oder ein schwaches Signal definieren, das es zu analysieren gilt.
- Step 2: Die direkten Auswirkungen und Konsequenzen für die nächsten Jahre analysieren.
- Step 3: Die indirekten Auswirkungen, also die Konsequenzen aus den Konsequenzen analysieren.
- Step 4: Den Kontext analysieren und herausfinden, was die Konsequenzen in Zukunft für einen persönlich bedeuten.
Diese Steps wurden dann in folgenden Bereichen durchdacht: soziokulturell, technologisch, ökonomisch, ökologisch und politisch. In den Gruppen ergaben sich folgende Zukunftsvisionen und Ergebnisse:
Zukunftsvision 1: “Was wäre, wenn gute Health-Education eine zentrale gesellschaftliche Rolle spielt?”
Die erste Gruppe hat sich ausgehend von dieser Fragestellung weitere “Was wäre, wenn”-Fragen gestellt, um sich so den möglichen Konsequenzen anzunähern.
Was wäre, wenn…
...ein stabiles Arbeitssystem mit zufriedenen Arbeitnehmer:innen für mehr Energie, Freizeit und Freiheit für das private und berufliche Leben sorgt?
...die Steuerbelastung um 15 Prozent sinken würde, weil das Gesundheitssystem über Health Education so stark präventiv vorgeht, dass sich der kollektive Gesundheitszustand drastisch verbessert und die Steuerausgaben für Gesundheitsleistungen geringer bleiben?
...wir allen Menschen egal welcher Herkunft und ohne Sprachbarrieren durch Technologie den gleichen Zugang zu Gesundheitsinhalten geben könnten und eine globale Verknüpfung und Austausch zu Gesundheitsthemen erschaffen könnten?
Zukunftsvision 2: “Was wäre, wenn wir in einer Welt leben, in der die Menschen durch Technologie tiefe interkulturelle Verbindungen haben, die auf ihren Interessen basieren, finanziell stabil und unabhängig sind, sich gesund ernähren, umweltbewusst sind und nur das kaufen, was sie brauchen?”
Gruppe zwei schrieb einen Prompt für Chat GPT, um eine mögliche Zukunft zu verbildlichen. Das Ergebnis zeigt eine gleichsam digitalisierte und grüne Zukunft. Der Prompt lautete: Imagine a colorful world in which people have deep intercultural connections through technology based on their interests, are financially stable and independent, eat healthy food, are eco-conscious and minimize their consumerism and only buy what they need.
Zukunftsvision 3: “Was wäre, wenn die KI immer einem Fakten-Check unterzogen wird?”
Die dritte Gruppe hat mögliche Vor- und Nachteile von Fakten-Checks von Künstlicher Intelligenz herausgearbeitet. Durch Fakten-Checks und die damit einhergehende höhere Transparenz könnte beispielsweise das Vertrauen der Nutzer:innen in Künstliche Intelligenz steigen. Zudem könnte das Zusammenleben durch weniger Fake-News harmonischer werden, da es weniger Konfliktpotenzial aufgrund falscher Informationen geben würde. Allerdings könnte der zeitliche Aufwand dafür auch enorm sein. Zudem könnte eine erhöhte Komplexität durch KI und Fakten-Checks zu mehr Bürokratie führen und ältere Generationen abhängen, was wiederum den Generationen-Konflikt vertiefen könnte.
Warum wir Futures Thinking heute schon brauchen
Durch Futures Thinking soll das Denken über die Zukunft anders angegangen werden, um dadurch mehr Möglichkeiten zu erhalten, ins Handeln zu kommen und die Zukunft mitgestalten zu können. Der Schlüssel liegt darin, bereits heute die richtigen Weichen zu stellen, um eine Vielzahl möglicher Zukünfte zu meistern und diese aktiv positiv zu beeinflussen. Gerade weil der Mensch dazu neigt, Negatives zu fokussieren, kann Futures Thinking dabei helfen, mehr Utopien zu erschaffen und die Zukunft als einen Ort der Hoffnung zu betrachten.