Abschlussarbeiten im Media Lab | 06.09.2022

Herzogin Meghan in der Klatschpresse: Negativ-Frames im Boulevard

Millionen Menschen nutzen das Angebot der Klatschpresse, aber kaum jemand setzt sich kritisch mit den mindestens zugespitzten Geschichten über Adelige und Prominente auseinander. Dabei verantwortet die Yellow Press einen Teil der gesellschaftlichen und kulturellen Meinungsbildung in Deutschland.

Ein unwissenschaftliches Thema in einen wissenschaftlichen Kontext stellen: Das war die Absicht hinter meiner Bachelorarbeit „Das Framing von Royals in der BUNTE.de“ die ich Anfang März 2022 beendete. Nach über dreieinhalb Jahren als Werkstudentin in der Videoredaktion bei BUNTE.de, dem Online-Pendant der BUNTE, wollte ich mir genauer ansehen, wie Narrative zu einem bestimmten Thema entstehen und wie sie gesellschaftsfähig werden. Denn gerade die Entwicklung der Berichterstattung über Herzogin Meghan brachte mich im professionellen Arbeitsumfeld häufig an meine moralischen Grenzen.

Schlüsselmoment einer internationalen Schmutzkampagne gegen Herzogin Meghan

Doch von vorn: Am 8. Januar 2020 kündigten Prinz Harry und Herzogin Meghan auf Instagram ihren Rückzug als Hauptmitglieder der britischen Königsfamilie an. In einem direkten Statement an die Boulevardpresse hatte der Prinz bereits im Oktober 2019 die „skrupellose Kampagne“ britischer Klatschmedien kritisiert, die seit seiner Hochzeit mit Meghan 2018 noch einmal eskaliert sei. Die „unerbittliche Propaganda“ der Yellow Press, so Harry, zerstöre Menschen und Leben – vor allem, „wenn sie wissentlich falsch und böswillig ist.“

Als Grund für den Rücktritt 2020 nannten die Sussexes ihren Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit, zudem solle ihr Sohn Archie in beiden Kulturen, der britischen und der nordamerikanischen, aufwachsen. Eingefleischte Royal-Fans reagierten zum Teil mit Bestürzung und werteten den Rückzug als Verrat an Königin Elizabeth II. Die weltweite Boulevardpresse nutzte den Abschied des Paares vom britischen Königshaus zu spekulativer Medienberichterstattung - insbesondere über die Herzogin, die als illoyale und hinterlistige Urheberin des Rückzugs herhalten musste.

#Megxit und andere negativ-Frames bei BUNTE.de

Das Thema „Rückzug vom Königshaus“ wurde so zum Ausgangspunkt für die Erstellung von unzähligen Frames, die auch die Redaktion von BUNTE.de zu großen Teilen übernahm und weiterverbreitete.

Frames definiert Jörg Matthes, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien, als „Blickwinkel auf ein Thema“ während Framing sich auf den „aktiven Prozess des selektiven Hervorhebens von Informationen und Positionen“ bezieht. Ein Frame besteht nach Matthes aus einer Problemdefinition, einer Verantwortungszuschreibung, einer Handlungsempfehlung und einer Bewertung. Dabei müssen Frames nicht per se die journalistische Qualität untergraben. Frames sind vielmehr notwendige Arbeitsmuster für Journalist:innen, die ihre beruflichen Tätigkeiten erleichtern können. Zweifelhaft werden sie jedoch dann, wenn einzelne dominante Frames ein einseitiges Bild von einem Problem zeichnen und komplexere Hintergründe ausblenden oder vereinfachen und damit insbesondere das Prinzip der impartiality (Unparteilichkeit) verletzen.

Für meine Abschlussarbeit analysierte ich insgesamt 90 Artikel auf BUNTE.de, die ab der Rücktrittsankündigung im Januar 2020 bis zum endgültigen Austritt drei Monate später über das Paar veröffentlicht wurden. In über 80 Prozent der Fälle, also in mehr als 70 Berichterstattungen über oder mit Herzogin Meghan, dominierten Negativ-Frames wie „Enttäuschung über den Rückzug“, „#Megxit“, „Harry hat gelitten“, „Meghan ist illoyal“, „Meghan ist abwesend“, „Meghan liebt Luxus“ oder „Meghan war unvorbereitet“. Die meisten Frames bewerteten die Herzogin also negativ, indem sie ihr Destabilisierung der königlichen Familie, Schuld am Rücktritt und eine Unfähigkeit zur Problemlösung zusprachen.

Überschriften aus 2020 machen die Negativ-Frames deutlich. (Collage: Natalie Daitch)

Überschriften aus 2020 machen die Negativ-Frames deutlich. (Collage: Natalie Daitch)

Und anstatt Prinz Harry in eine ähnlich negative Frame-Ausrichtung zu manövrieren, da er ja ebenfalls als Senior-Royal zurückgetreten war, blieb seine Position, sein Framing in der Berichterstattung, relativ neutral. Teilweise wurde er sogar zum Leidtragenden, zur willenlosen Marionette seiner Frau Meghan, stilisiert - was wiederum auf ihr Negativ-Framing einzahlte.

Die Währung des Boulevard: Aufmerksamkeit und Reichweite

Eins ist klar: Der Boulevard steht für Emotionalisierung und Übertreibung anstelle von rationalen Diskursen. So lässt sich schließlich Reichweite nicht nur generieren, sondern auch halten. Im Kampf um die Aufmerksamkeit bleiben dabei gesellschaftliche Diskurse - in den Redaktionen aber auch bei den Rezipient:innen - auf der Strecke. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die mitunter sexistische Dramaturgie, orchestriert von Boulevardmedien und deren negativen Frames, in der Causa “Rücktritt vom Königshaus” so viel Fahrt aufnehmen konnte. Allein der Hashtag #Megxit bediente in unzähligen Artikeln die Erzählung von der schuldigen Frau. Von #Haxit keine Spur.

Deswegen möchte ich zum Schluss einen Versuch wagen, wie die Geschichte mit positiven Frames gegenüber Meghan hätte erzählt werden können: "Eine unabhängige Frau ebnete sich und ihrem Mann den Weg in die ersehnte Freiheit und Selbstständigkeit - eine emanzipatorische Heldinnenreise."

Natalie hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Mehr zum Programm gibt es hier!

Ein Artikel von

Natalie Daitch

Natalie Daitch arbeitet nach ihrem Bachelor-Abschluss in Ressortjournalismus an der Hochschule Ansbach als Volontärin bei RTL in Köln. "Fernsehen machen" war schon immer ihr Traum, der am 1. April 2022 in der Unterhaltungs-Abteilung des Senders in Erfüllung ging. Ihr Motto: "Sei eine Menschenfreundin" ist Natalie in ihrer neuen redaktionellen Arbeit wichtiger denn je, auch, weil die eigenen Inhalte und Projekte jetzt deutlich mehr Menschen erreichen.

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