Media Research & Development | 17.05.2022
Individuelle Bedürfnisse - Die neue Währung für mehr Vertrauen
Die Aufgabe der Medien ist die Verbreitung von Informationen. Doch seit einiger Zeit werden Stimmen laut, dass Medien doch nur Fakes verbreiten würden und man ja nicht vorbehaltlos alles glauben solle, was in Nachrichtensendungen und Co. verbreitet wird. Etwa ein Drittel der Bevölkerung hat kein Vertrauen zu Medien. Wir haben gefragt und hier sind die Insights, die das Vertrauen wieder aufbauen könnten.
Medien entscheiden, was relevant und berichtenswert ist – User:innen entscheiden, ob sie sich von diesen Inhalten abgeholt fühlen. In den letzten Jahren zeichnet sich ab, dass dieses Hierarchiedenken immer weniger funktioniert. Die Attraktivität und die Glaubwürdigkeit der Medien schwinden. Doch was steckt genau hinter dieser Entwicklung und was können Medienunternehmen tun, um Nachrichten und Informationen wieder zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen? Wir haben im User Insights Report Building Trust direkt bei den User:innen nachgefragt und teilen diese Insights mit der Medienbranche. Wir denken: Wenn die Bedürfnisse der Nutzenden beachtet und bedient werden, dann kann das Vertrauen in Medien gesteigert werden und im besten Fall gewinnen Medienmacher:innen die Menschen sogar zurück.
Betroffene sind glaubwürdiger als Berichtende
Interviewpartner:innen, die Zeitung, Fernseher und Co. wenig nutzen, stehen berichtenden Medien eher kritisch gegenüber. Sie wünschen sich Authentizität und möchten zum Beispiel Nachrichten direkt und ungefiltert erleben, also live oder zumindest aus erster Hand. Reporter:innen, die von vor Ort berichten, sprechen den Befragten zufolge oft zu sachlich, so als ob sie überhaupt nicht direkt involviert wären: Das Gesagte passt nicht mehr zum Gezeigten. Dadurch geht die Authentizität teilweise verloren. Ein gutes Storytelling wäre hier ein effektiver Hebel, um die Verbindung zu User:innen wieder zu stärken. Auch eine Orientierung an der Berichterstattung in moderneren Streaming-Medien oder eine Verschmelzung bereits existierender Formate können gute Denkanstöße sein.
Glück sticht Neugier
Einige Interviewte hören eher auf ihr Herz und neigen dazu, Informationen übermäßig und eventuell auch emotional zu bewerten. Nachrichten werden teilweise mit „schlechten Nachrichten“ gleichgesetzt. Um Stress zu vermeiden, nehmen einige Medienkonsumierende daher zumindest kurzzeitig Abstand hiervon – nicht zuletzt, da das Leben für sie auch ganz gut ohne Dauerbeschallung über Konflikte und Co. weitergeht. Darunter leidet dann auch das Vertrauen Nachrichtenformate. Um einen Rückzug dieser Zielgruppe aus den Medien zu vermeiden, wäre es der größte Stellhebel, wenn bestimmte Inhalte individuell pausiert oder temporär herausgefiltert werden könnten.
Unstillbarer Wissensdurst?
Interviewte mit einem besonders hohen Bildungsstand legen eher Wert auf die Quelle einer Nachricht als auf deren Inhalt. Um ein möglichst umfassendes Bild zu einem Sachverhalt zu erhalten, kombinieren sie verschiedene Quellen. Das funktioniert jedoch bei modernen Medien immer weniger, da die Menge und Geschwindigkeit von Informationen im digitalen Zeitalter exponentiell zugenommen haben. Da so der Wissensdurst nicht ihren Ansprüchen entsprechend gestillt werden kann, macht sich schnell Frust breit. Neue Nachrichtenformen könnten hier ansetzen, bei denen sich thematisch passende „Pakete“ schnüren lassen. Da bestehende Formate auch heute teilweise noch keine Belege und Quellen für Nachrichten angeben, sollten diese in jedem Fall hinzugefügt werden, um mehr Akzeptanz bei dieser Zielgruppe zu schaffen.
Zeit für Helden
Wer eher pessimistisch unterwegs ist, denkt, dass in der Welt vieles nicht richtig läuft, einschließlich der Medienangebote. Diese Zielgruppe sucht nach journalistischen Fixpunkten, an denen sie sich orientieren kann. Diese findet sie etwa in mutigen Aktivist:innen, die beim Streben nach einer besseren Welt persönliche Opfer erbracht haben und zu „Held:innen“ wurden. Hier braucht es glaubhafte Personenmarken, die die mediale Bindung festigen. Diese könnten als kuratierte und wiederkehrende Gastautoren als neues Gesicht für Nachrichtenformate dienen.
Freund:innen glaubt man gern
Der kleinste gemeinsame Nenner, den diese Gruppe ausmacht: Fast jede Information aus den Medien ist falsch und von Sonderinteressen geleitet. Die Interviewten haben in der Regel ein starkes „Wir und die Anderen“-Denken. Basierend auf loyalem Verhalten schätzen sie Gleichgesinnte als Freund:innen und als extrem glaubwürdig ein. Informationen aus diesem Kreis werden daher schnell weiterverbreitet, ohne die ursprüngliche Quelle zu hinterfragen oder zu bewerten. Bei dieser Zielgruppe können Freund:innen als Meinungsbotschafter fungieren. Abonnent:innen von Medienangeboten mit hochwertigen Inhalten könnten bestimmte Informationen trotz einer eventuell bestehenden Paywall teilen.
Bedürfnisse erfüllen, Vertrauen schaffen
Es wird immer deutlicher, dass unterschiedliche Peer Groups erstens überhaupt existieren und zweitens auch eigene Bedürfnisse und Erwartungen an Medienschaffende haben. Sicherlich ist die Skandierung „Lügenpresse“ eine extreme Meinungsäußerung. Sie kann aber auch ein Anlass zum Umdenken sein! Um die Kurve zu kriegen und damit User:innen wieder zu Medien-Enthusiasten werden, braucht es keine Raketenwissenschaft. Mit ein wenig Augenmaß und Innovationsgeist können Medienhäuser jeder Zielgruppe wieder ein bisschen mehr gerecht werden.