Best Cases | 29.04.2022
Innovation in den Medien - same same, but different
Jedes Medienhaus möchte Innovation, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Vielen fällt der Shift zu Neuem schwer und gleichzeitig hat Innovation auch eine individuelle Seite, die jede Firma für sich erschließen muss. Der Innovationshub pd next der Mediengruppe Pressedruck und das katholische Medienhaus Sankt Michaelsbund haben sich in den vergangen neun Monaten intensiv mit den Fragen "Was ist Innovation?" und "Wie gelingt Innovation?" auseinandergesetzt.
Inhaltsverzeichnis
- Innovation Gap in der Medienbranche
- Ihr habt jeweils als Team eures Medienunternehmen am Media Company Fellowship teilgenommen. Was war euer Key Learning?
- Welche Bedeutung hat Innovation für Medienunternehmen heutzutage?
- Innovation - viele denke gleich an Rocket Science und daran, das Rad neu zu erfinden. Ist das denn so?
- Was bedeutete Innovation vor dem Fellowship, und was bedeutet es heute für euch?
- Wo könnten deutsche Medienunternehmen ansetzen, um besser zu werden?
- Was machen deutsche Medienunternehmen schon gut?
- Was empfehlt ihr anderen Medienschaffenden, um den Medienwandel und die digitale Transformation zu schaffen?
- Vielen Dank für das Gespräch und euch allen weiterhin eine innovative Zeit!
Die Frage nach Innovation und Veränderung ist für alle Medienhäuser und Medienschaffende ein entscheidender Aspekt für ihre Zukunft. Deshalb werden unter anderem neue Webseiten aufgesetzt, ein neues CRM-System eingeführt oder Content multimedial ausgespielt. Es gibt viele Ansätze, die das Ziel haben, Medien an das geänderte Nutzungsverhalten von User:innen anzupassen. Wer sich stark mit Innovation in der Medienbranche auseinandersetzt, merkt aber auch schnell, dass es eine Lücke zwischen gelebter Innovationspraxis und der Theorie gibt.
Innovation Gap in der Medienbranche
Ein neues CRM oder die Entscheidung, Content als Video, Audio oder Text bereitzustellen, spiegeln den Status quo der meisten lokalen und regionalen Medienanstalten wider. Trendreports, wie etwa der Trendreport 22 des MedienNetzwerk Bayern oder der neuste Tech Trends Report des renommierten Future Today Institutes, sprechen hingegen bereits von anderen Dingen, etwa: Metaverse, NFTs und dem Einsatz von synthetisierten Avataren oder Stimmen. Einige größere Medienhäuser mit eigenen Innovationsabteilungen machen in diesen Bereichen schon erste Schritte.
Doch wie ist es möglich, dass es so große Unterschiede in der Arbeit an der Zukunft der Medienbranche gibt? Personalstruktur und Budget sind sicherlich zwei offensichtliche Aspekte. Es liegt aber auch an der Innovationskultur und dem Umgang mit Innovation im eigenen Unternehmen. Denn egal, ob es um den Einsatz von synthetischen Stimmen oder die multimediale Content-Aufbereitung im klassischen Sinn geht - bei beidem müssen in allen Abteilungen eines Unternehmens zwei Dinge vorhanden sein: Die Lust auf Neues und eine Unternehmensstruktur, die es erlaubt, sich auszuprobieren. Nur dann können die Schritte Richtung Innovation gelingen und Neues sich fest in der DNA eines Unternehmens verankern, bestätigen auch die Fellows des Media Company Fellowship (MCF).
Im letzten Jahr haben wir mit dem MCF den ersten Versuch gestartet Budget, Prozesse und Kultur zusammenzubringen. Herausgekommen ist ein Förderprogramm in Kooperation mit der Craig Newmark Graduate School of Journalism der City University New York (CUNY). Ein Programm, das Medienmacher:innen bei der spannenden Reise zu mehr Innovation auf allen Ebenen begleitete. Wir haben die Fellows nach ihren Erfahrungen gefragt - und Christian Moser, Anna Parschan und Ramona Lermer geben ihre Insights preis.
Ihr habt jeweils als Team eures Medienunternehmen am Media Company Fellowship teilgenommen. Was war euer Key Learning?
Christian: Das wichtigste für mich war die Erkenntnis: Innovation ist nichts, was man verordnen oder gar „überstülpen“ kann. Innovation geht nicht auf Knopfdruck und schon gar nicht in einem traditionellen Medienhaus mit einer langen Vergangenheit. Für Innovation müssen alle Beteiligten offen sein, es braucht Neugierde und viel Kommunikation. Zum einen um Ziele und Vorstellungen zu erklären und vermitteln, zum anderen aber auch, um Hürden und Hemmnisse zu benennen. Dafür braucht es auch viel Vertrauen und Offenheit unter den Beteiligten.
Anna: Dass Innovation keine schnell zu erledigende Aufgabe ist, die man nach bestimmter Zeit abheftet, sondern eine nie endende Reise mit Zwischenstopps.
Ramona: Ich war super happy, dass unser Team ausgewählt wurde dabei zu sein! Es ist so wertvoll und wichtig sich dediziert Zeit für Themen wie Innovation, Kollaboration und Austausch nehmen zu können! Mein Key Learning: Man lernt nie aus! Wir haben im Laufe des Company Fellowship Programms so viele wertvolle Insights erhalten: zentral stand dabei immer wieder das Thema Stakeholder Management und Kommunikation im Vordergrund! Denn letzten Endes geht es bei jedem (Innovations-)Projekt genau darum: Menschen mitnehmen und teilhaben lassen. Und das geht nicht ohne Empathie und gute Stakeholder-Kommunikation.
Warum ist das so?
Anna: Innovationsarbeit ist auch mit einer Dominoreihe vergleichbar. Ist der erste Stein gefallen, geht’s gleich weiter und vieles kommt ins Rollen. Aber: Innovation bedingt Wandel. Wer Altes aufbricht, braucht auch Zeit für Analyse, Umsetzung und Weiterentwicklung. Und das ist ein Zusammenspiel aus äußeren und innen Faktoren, die ständig in Bewegung sind, sodass man nie „fertig“ ist. Es gibt immer was zu tun!
Welche Bedeutung hat Innovation für Medienunternehmen heutzutage?
Christian: Medienunternehmen haben sich seit jeher weiterentwickeln müssen. Oftmals waren es technische Neuerungen, die sie dazu inspiriert oder gezwungen haben. Heute ist es nicht viel anders. Der Wettbewerb ist vielleicht noch stärker. Durch die Sozialen Netzwerke, die Streaming-Angebote, Newsletter oder Podcast-Plattformen ist heute quasi jeder Mediennutzer und jede Mediennutzerin ihre eigene Chefredaktion oder Programmplanung. Da gilt es, als Medienunternehmen seinen Platz zu finden und auch zu behaupten.
Anna: Wenn ich den Ist-Zustand beobachte, hat Innovation oftmals leider kaum Priorität. Wenn du mich aber danach fragst, welche Bedeutung Innovation haben sollte, dann sage ich: große! Ein Must-have.
Ramona: Dem kann ich beipflichten. Natürlich ist Innovation für alle Unternehmen, und ganz besonders für Unternehmen im Medienumfeld, überlebenswichtig. Alte Geschäftsmodelle brechen weg, und wir brauchen neue digitale Geschäftsmodelle, um den Gap zu finanzieren.
Innovation - viele denke gleich an Rocket Science und daran, das Rad neu zu erfinden. Ist das denn so?
Christian: Nein, das muss eben keine Rocket Science sein! Das wichtigste ist die Offenheit für Neues. Aber auch die Offenheit zu sagen: Ok, das ist nicht so gut gelaufen, wie können wir es besser machen? Und diese Frage ist nicht nur projektbezogen zu stellen, sondern auch mal zu schauen, was läuft denn im Alltag nicht so gut, was können wir da verbessern? Das hört sich jetzt ganz einfach an, ist aber in Wirklichkeit ganz schwer, weil es in den meisten Unternehmen bisher nicht gemacht worden ist. Es ist meistens eben nicht Bestandteil der Unternehmenskultur.
Ramona: Nein! Im Grunde geht es darum, erst mal kleine Testballons steigen zu lassen, also in kleinem Rahmen zu beweisen, dass eine Idee funktioniert. Das ebnet den Weg für Akzeptanz und mehr Budget.
Anna: Auch von mir kommt ein klares Nein auf deine Frage! Wir hatten zunächst auch an großen Ideen gearbeitet und im Laufe der Zeit während des Fellowships festgestellt: Wir müssen kleiner denken und anders ansetzten. Eine große Unterstützung war dabei unsere Feldstudie, in der wir ein Drittel der Mitarbeitenden bei uns im Unternehmen befragt haben. Eine der Erkenntnisse war: Wir müssen viel niederschwelliger arbeiten. Die Ergebnisse haben gezeigt, welche Innovationshemmnisse eine Rolle spielen und wo große Potenzialfelder schlummern. Dieser Realitätscheck hat uns geholfen, an den richtigen Stellen zu schrauben.
Was bedeutete Innovation vor dem Fellowship, und was bedeutet es heute für euch?
Ramona: Innovation ist zentral! Das Media Lab Company Fellowship hat mich darin bestärkt, weiterhin an unser Team zu glauben und Testprojekte zu realisieren, auch wenn es Gegenwind aus anderen Abteilungen gibt, zum Beispiel wegen Ressourcenengpässen. Mir ist klar geworden, dass jeder von uns eine hohe Frustrationstoleranz und viel Empathie beim Kommunizieren benötigt. Wer diese Fähigkeiten mitbringt, der hat als Produktentwickler:in den spannendsten Job der Welt!
Anna: Ich fand den Begriff Innovation lange Zeit schwammig. Je nach Branche wird er unterschiedlich definiert und gelebt. Im Medienkontext habe ich mit Innovation aber vor allem Produktentwicklung verbunden. Heute ist mir Innovationsarbeit mit all seinen Facetten vertraut und bewusst, wie viel da dahintersteckt. Als Team haben wir nicht nur Methoden wie Design Thinking gelernt, sondern auch in der Praxis Innovation gelebt. Ein großes Learning war dabei zum Beispiel auch, dass man Innovation nicht ohne Kulturmaßnahmen denken darf.
Christian: Klar, gehören die beiden Punkte Produkte und Technik nach wie vor zu Innovation, aber mein Blick hat sich da geweitet und mir ist heute bewusst, dass Innovation in der Unternehmenskultur beginnt. Auf Leitungsebene bedeutet das: Die Mitarbeitenden müssen sich ernst genommen fühlen, ihre Bedenken äußern können, genauso wie ihre Ideen. Oft ist es ja auch so: Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin hat eine geniale Idee, stellt sie der Führungsperson vor und bekommt unbegründet eine Ablehnung – aus welchen Gründen auch immer. So eine Erfahrung demotiviert extrem. Also: zumindest die Idee ernsthaft prüfen und Feedback geben. Da gehört dann auch dazu bei einer Ablehnung eine stichhaltige Begründung zu liefern. Nur so kann Innovation nachhaltig gelingen.
Wo könnten deutsche Medienunternehmen ansetzen, um besser zu werden?
Christian: In vielen Redaktionen herrscht immer noch die Meinung vor: „Wir wissen, was euch interessiert und wir sagen euch auch noch, wie ihr es zu konsumieren habt“. Wir müssen noch besser werden zu hören und zu wissen, was die Kunden tatsächlich interessiert und auf welchen Weg und wann die News oder Unterhaltung geliefert werden soll. Also noch mehr den User in den Mittelpunkt nehmen, tatsächlich auch mal mit den Usern ins Gespräch gehen, um zu erfahren: Wie können wir euch besser als bisher „beliefern“.
Was machen deutsche Medienunternehmen schon gut?
Christian: Ich glaube, da gibt es bereits eine ganze Menge, die schon richtig gut läuft. Ob es aus dem Datenjournalismus zum Beispiel animierte Grafiken sind – gerade durch die Corona-Pandemie getrieben waren die ja häufig zu sehen. Oder neue Formate, wenn ich an Katapult in Greifswald denke. Aber auch in Bayern gibt’s ganz viele tolle Ideen und Formate. Und abgesehen von den Produktinnovationen: Ich habe den Eindruck, es tut sich was in den Redaktionen in Sachen Unternehmenskultur. Also, dass tatsächlich mehr Offenheit da ist, Dinge auch mal zu hinterfragen, selbst wenn „wir sie schon immer so gemacht haben“.
Ramona: Viele Medienhäuser haben sich bereits auf die Reise in Richtung digitale Geschäftsmodelle gemacht: oft gibt es kleine Einheiten, die Innovationsthemen vorantreiben, manchmal sogar unter höchster Management Attention. Allzu oft treffen die Innovations-Einheiten oder Mitarbeiter mit ihrer Energie und Tatendrang aber auf etablierte klassische Strukturen: Das geht nicht immer reibungslos. Hier ist darauf zu achten, dass Innovation immer das Buy-In der Management-Ebene hat, nur so kann sie erfolgreich vorangetrieben werden.
Was empfehlt ihr anderen Medienschaffenden, um den Medienwandel und die digitale Transformation zu schaffen?
Christian: Einfach mal anfangen, das wäre die einfache Antwort. Das geht natürlich nicht komplett ins Blaue hinein. Aber nicht warten, bis ein perfektes Konzept vorliegt. Das wird es nämlich nicht geben. Also, selbst wenn ihr den Eindruck habt, das Konzept ist nur halbgar – loslegen. Es wird immer Verbesserungen geben und Veränderungen. Die dankbar annehmen und das Konzept, die Strategie entsprechend anpassen.
Anna: Sucht euch ein Programm wie das „Media Company Fellowship“! Das gibt dem Change-Prozess nicht nur eine gewisse Verbindlichkeit, sondern verhilft auch zu neuen Perspektiven. Transformationen können anstrengend und emotional sein, da sind neutrale Moderator:innen mit einem Blick von außen eine gute Unterstützung. Und auch der Austausch mit den anderen Fellows, in unserem Fall pd-next, sowie den Referent:innen aus der Brache, war wahnsinnig bereichernd für unseren Weg.
Ramona: Es braucht dedizierte Ressourcen und Budget für Innovation. Wie schon erwähnt, ist die Unterstützung durch die Geschäftsführung bei Roadblockern wichtig. Und Innovationsschaffende brauchen gaaaanz viel Resilienz.