Abschlussarbeiten im Media Lab | 21.01.2024
Journalismus und KI: Leitlinien für Künstliche Intelligenz
Spätestens seit dem Boom von ChatGPT Ende 2022 ist klar: Künstliche Intelligenz wird einen festen Platz in unserem Berufsalltag einnehmen. Für einige Branchen bedeutet das mehr Umstellung als für andere - beispielsweise für den Journalismus. Wie wird er sich dadurch verändern? Und wer trägt die Verantwortung dafür, Rahmenbedingung für die Nutzung von KI im Journalismus festzulegen?
Da die Thematik rund um Künstliche Intelligenz (KI) im Allgemeinen und KI und Journalismus im Speziellen so aktuell ist, kann ich in diesem Beitrag nur eine Momentaufnahme wiedergeben. Konnte man gestern noch von KI erstellte Bilder an bestimmten Merkmalen erkennen, sind sie heute schon mit dem menschlichen Auge kaum von „realen“ Bildern unterscheidbar. Umso wichtiger war es für mich, meinen zukünftigen Beruf als Journalistin im Kontext der Künstlichen Intelligenz in meiner Bachelorarbeit näher zu betrachten.
Journalismus mit KI?
Für meine Bachelorarbeit habe ich unter anderem mit KI-Zuständigen aus verschiedenen öffentlich-rechtlichen und privaten Medienhäusern sowie einem Experten eines Think Tanks zu Digitalisierung gesprochen. Ein Punkt hat sich hierbei klar herauskristallisiert: Der Mensch ist essentiell für den demokratischen Journalismus und bleibt (zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls) fester Bestandteil dessen. Es geht also nicht darum, ob es möglich wäre, Journalist:innen durch KI zu ersetzen - denn das wäre es früher oder später -, sondern um die Frage: Was will man der KI überlassen?
Hierbei betonten die Expert:innen vor allem zwei Dinge. Zum einen: Empathie empfinden, ein Gespür für Zeitgeist haben und Nähe zu Themen und Menschen entwickeln sind Fähigkeiten, bei denen keine Maschine dem Mensch das Wasser reichen kann. Gerade diese Fähigkeiten sind für einen seriösen Journalismus von großer Bedeutung.
Zum anderen sollte man die KI im Journalismus trotzdem als ein nützliches Werkzeug betrachten, das, wenn man es richtig einsetzt, die eigene Arbeit unterstützen kann. Die Sorgfaltspflicht und die Verantwortung der Journalist:innen gegenüber der Öffentlichkeit bleiben dabei weiterhin bestehen. Natürlich werden auch neue Berufsfelder wie das Prompten, also Anweisungen an KI-Systeme geben, entstehen und andere, wie das Schreiben von sachlichen Kurznachrichten oder das Layouten oder Transkribieren von Texten, werden vermutlich wegfallen. Journalist:innen haben dadurch aber die Möglichkeit, sich wieder auf ihre Kernkompetenzen zu fokussieren. Man braucht vor diesem Wandel also an sich aus journalistischer Sicht erstmal keine Angst zu haben.
Problematischer Einsatz von KI im Journalismus
Anders als bei der Einführung des Internets, wo die Weiterentwicklung von journalistischen Ausspielwegen und Einnahmequellen über Jahre verschlafen wurde, wäre es nur wichtig, rechtzeitig auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren.
Schon jetzt finden ethische Verstöße bei der Nutzung von KI im Journalismus statt. Ein bekanntes Beispiel ist das durch KI fingierte Interview mit Michael Schumacher, das die Zeitschrift die aktuelle im April 2023 veröffentlichte. Nach einem Shitstorm reagierte der Verlag mit einer Entschuldigung und der Kündigung der Chefredakteurin. Im Juni folgte eine Rüge des Presserats wegen Nichtbeachtung von Wahrhaftigkeit und Menschenwürde. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig feste Richtlinien für KI im Journalismus sind.
Wer ist für die Rahmenbedingungen verantwortlich?
Für die Festsetzung der Richtlinien kommen im Großen und Ganzen drei Player in Frage: der Journalismus (also Journalist:innen, Medienhäuser, Verbände, Verlage), die Politik (sowohl die deutsche als auch die der EU) und die Tech-Unternehmen selbst, welche die KI-Tools auf den Markt bringen.
Es ist wichtig zu unterscheiden, dass nicht jeder der genannten Player denselben Spielraum oder dieselbe Motivation hat, Richtlinien zu setzen. Gerade Tech-Unternehmen richten ihr Hauptaugenmerk bei der Produktentwicklung in erster Linie nicht auf journalistische Befindlichkeiten. Nichtsdestotrotz tragen sie eine (große) Verantwortung gegenüber den User:innen. Durch die Festsetzung von Richtlinien können sie dieser nachkommen und (zumindest) einen Mindeststandard setzen.
In einem demokratischen Journalismus, wie er in Deutschland existiert, ist außerdem ein aktiver Eingriff durch die Politik in die Strukturen des Journalismus grundsätzlich sehr heikel. Da die KI laut Expert:innen vorrangig als Werkzeug dient, muss und kann die Politik für diesen Einsatz allgemein geltende Rahmenbedingungen setzen - ähnlich wie beim Arbeitsrecht. Außerdem könnte die Politik die Entwicklungen der KI im Allgemeinen und damit die Tech-Unternehmen stärker reglementieren. Beide Punkte hätten wiederum Auswirkungen auf die Medienbranche, würden aber nicht in die Pressefreiheit eingreifen.
Die Medienunternehmen und Journalist:innen wiederum können und müssen sich selbst Richtlinien geben. Diese sollten sie durch Handreichungen, wie sie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bereits veröffentlicht hat, ergänzen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Viele Medienhäuser haben bereits Instanzen gegründet, die sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz beschäftigen. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt die stetige Anpassung der Richtlinien (noch) eine hohe Mehrbelastung für die Unternehmen und individuellen Jouranlist:innnen dar. Nichtsdestotrotz ist diese Mehrarbeit eine wichtige Investition in die Zukunft des qualitativ hochwertigen Journalismus, der KI für sich zu nutzen weiß.
Lisa hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Du hast auch ein spannendes Thema? Melde dich bei uns!