Abschlussarbeiten im Media Lab | 23.08.2024

Kann KI Journalismus?

Seit der Einführung des Chatbots ChatGPT sind die journalistischen Lager geteilt: Manche schwören auf KI-Tools, andere sehen sie kritisch und wieder andere haben Angst, ersetzt zu werden. Doch was stimmt? Und auch: Was denken die Leser*innen darüber? Ein Feldexperiment.

KI im Journalismus oder gar kein Journalismus?

Von automatisiertem Journalismus, Computer-Journalismus oder gar Roboterjournalismus ist schon länger die Rede. Diese Begriffe beschreiben nichts anderes als den Einsatz von KI, Algorithmen und großen Sprachmodellen in der Berichterstattung. Die Auswirkungen, die der Einsatz dieser Technologien in Redaktionen hat, sind vielfältig und teilweise erschreckend.

In den USA beispielsweise gibt es nicht nur “Medienwüsten”, also massive Schließungen von Lokalzeitungen und Lücken in der Berichterstattung, sondern auch "Ghost Newsrooms". Das sind Redaktionen, die synthetische, also von einer KI produzierte Inhalte veröffentlichen. Angestellte Redakteur*innen gibt es hier keine mehr.

Die Situation in Deutschland ist bei weitem nicht so extrem wie auf der anderen Seite des Atlantiks. Aber auch hier bestimmen Zeitdruck, Geldmangel, Hasskommentare und Misstrauen den Alltag in vielen Redaktionen. Zudem wird es - auch durch die gerade genannten Aspekte - immer schwieriger, Nachwuchs zu finden. Besonders betroffen sind private Medien in kleinen und ländlichen Regionen. Vor allem wenn das Geld knapp ist, sind die Vorteile einer KI-Redakteurin für Redaktionen attraktiv: Sie muss nicht schlafen, braucht keine Pausen und nimmt keinen Urlaub.

“Die Entscheidung fällt langsam nicht mehr zwischen Roboterjournalismus und menschlichen Journalisten, sondern zwischen Roboterjournalisten und gar keinen Journalisten”, lautet die Bilanz des britischen Medienwissenschaftlers Jason Whittaker in seinem Buch ‘Tech Giants, Artificial Intelligence, and the Future of Journalism’. Doch sieht die Zukunft wirklich so düster aus?

“Die Zukunft scheint in einer hybriden Form zu liegen”, sagen die spanischen Medienwissenschaftler Santiago Tejedor und Pere Vila in einem Paper zum Thema. Sie glauben, dass Menschen weiterhin die KI mit Daten füttern und Inhalte überprüfen werden. Gleichzeitig werden die automatisierten Fähigkeiten von KI-Systemen die Berichterstattung erleichtern.

KI vs. Redakteurin: Sind synthetische Inhalte die Zukunft des Journalismus?

Genau das habe ich in meiner Masterarbeit in Zusammenarbeit mit der Redaktion von nordbayern.de getestet. Mit der kostenlosen Version des Chatbots ChatGPT habe ich fünf Ratgebertexte generiert. Die Inhalte und Vorgaben wie Wortanzahl, Struktur und Thema habe ich mit Hilfe von SEO-Tools festgelegt.

Der KI-Text zum Sprichwort “Der Teufel ist ein Eichhörnchen”

Diese fünf Texte konkurrierten von Dezember 2023 bis Februar 2024 mit fünf von mir selbst verfassten Texten. Dabei ging es nicht nur um die gemessenen Klickzahlen, sondern auch um die Zufriedenheit der Leser*innen mit der Qualität der Texte. Diese wurde mit Hilfe einer Umfrage auf nordbayern.de gemessen.

Die synthetischen Inhalte erwiesen sich als nicht zu unterschätzender Gegner. Die Positionen der Texte in den Ergebnissen der Google-Suche, der Traffic von Google-Discover und Google-News zeigten keine signifikanten Unterschiede. Der Score zwischen der KI und der menschlichen Redakteurin war eins zu eins.

Die Google-Platzierung des KI-Textes “Der Teufel ist ein Eichhörnchen”)

Nur bei der Leser*innen-Umfrage konnte der Mensch gegen die Maschine punkten: Menschen bevorzugten die Texte von einem Menschen.

Arbeiten mit den Vor- und Nachteile einer KI-Redakteurin

In den wenigen Monaten seit dem Feldexperiment hat sich die KI nochmal enorm verbessert. ChatGPT kann mittlerweile sprechen und bessere Texte schreiben. Der Einsatz von Prompting Journalismus wird immer häufiger.

ChatGPT kann die Arbeit von Redakteuren in vielerlei Hinsicht erleichtern. Das Tool kann bei der Recherche helfen, bei der Auswertung von Daten unterstützen, beim Schreiben von Texten oder Skripten erste Entwürfe produzieren, bei der Suche nach Interviewpartner*innen Vorschläge machen und Fragen vorbereiten.

Alles, was die KI schreibt, muss allerdings noch von Menschenhand überprüft werden. Und eine Reportage vor Ort oder eine Live-Schalte kann ChatGPT sowieso nicht machen. Geschweige denn Emotionen empfinden und diese in einem Text vermitteln. Und vom KI-Humor will ich gar nicht erst anfangen. Der ist nämlich erfahrungsgemäß sehr, sehr schlecht.

Zusammenfassen lässt sich die Entwicklung wohl am besten mit einem Spruch, den man aktuell auf (fast) jeder journalistischen Veranstaltung hört: “KI wird dich nicht ersetzen, aber ein Journalist, der mit KI umgehen kann, schon”.

Alexandra hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Du hast auch ein spannendes Thema? Melde dich bei uns!

Ein Artikel von

Alexandra Amanatidou

Alexandra Amanatidou hat Journalismus und Politik in Griechenland und Deutschland studiert. Während ihrer Arbeit als SEO-Managerin für die Lokalredaktion von nordbayern.de stellte sie sich die Frage, wie KI Journalismus und SEO beeinflussen kann. Daraus entstanden ein Feldexperiment und das Thema ihrer Masterarbeit. Zurzeit ist sie Nachwuchs-Talent beim MDR und im Organisationsteam der DJV-Konferenz “Besser Online 2024”.

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