Abschlussarbeiten im Media Lab | 17.10.2024

Kreativität und Code: (Medien-)Innovation mit Art Thinking

Art Thinking schafft Raum für kreative Prozesse und ebnet so den Weg für radikale Innovation. Wie kann dieser Ansatz im Journalismus neue Ideen anstoßen und technologische Fähigkeiten vermitteln? Ein Versuch mit kreativen Coding-Workshops.

Kreativität entsteht nicht im Vakuum. Der Mythos von Kreativität als Persönlichkeitsmerkmal wurde von der Forschung oft genug widerlegt - stattdessen steht fest: Kreativität ist eine Fähigkeit, die geübt und vor allem auch durch die Umgebung beeinflusst werden kann. Das sind gute Nachrichten! Insbesondere für Medienunternehmen, die in großen Teilen von ihrem internen „Creative Capital“ abhängig sind.

In meiner Masterarbeit habe ich mich nicht nur mit Kreativität, sondern ganz spezifisch mit der Überschneidung zwischen Kreativität und Tech-Themen auseinandergesetzt. Denn: Der technologische Wandel bietet viele Chancen für den kreativen und medienschaffenden Sektor, die aber oft noch nicht aktiv genutzt oder überhaupt als Option in Betracht gezogen werden.

Innovationsbarrieren im Journalismus

Insbesondere im Journalismus verändern technologische Entwicklungen die Art und Weise, wie Nachrichten produziert und konsumiert werden. Technologien wie künstliche Intelligenz und immersive Erzählformate eröffnen neue Möglichkeiten, doch die Medienbranche tut sich schwer, die Chancen zu nutzen. Ein Grund dafür ist sicherlich eine mangelnde Innovationskultur: Journalist*innen konzentrieren sich oft auf die traditionellen Aspekte - also Recherche- und Produziertätigkeiten - ihrer Arbeit, während technologische Fertigkeiten und die Bereitschaft zur Erkundung neuer Tools häufig auf der Strecke bleiben. Diese Trennung zwischen kreativen und technischen Kompetenzen ist historisch gewachsen - und während ein Großteil der Medienhäuser an zukunftsgerichteten Lösungen für diese Probleme arbeiten, sind die meisten Ansätze nicht radikal genug für die Geschwindigkeit der Veränderungen. Während beispielsweise viele Medienhäuser noch ihre Podcast-Strategie entwickeln, machen online bereits die ersten komplett KI-generierten Audioformate die Runde.

Creative Coding Workshops

Mich hat interessiert: Gibt es Möglichkeiten zur Innovationsförderung, die genau hier ansetzen? Die nicht nur Innovationsmechanismen - wie individuelle Kreativität - im allgemeinen fördern, sondern ganz spezifisch auch im Kontext von technologischen Neuerungen?

Ich habe mir deshalb eine Methode genauer angeschaut, die in der Mitte von klassisch kreativen und technologischen Themen existiert: Creative Coding Workshops. Im Gegensatz zum traditionellen Programmieren, das oft auf die Lösung funktionaler Probleme oder die Entwicklung von Software fokussiert ist, steht beim Creative Coding die künstlerische und kreative Anwendung von Code im Vordergrund. Die Workshops bieten einen kreativen Rahmen, in dem die Teilnehmer*innen technologische Tools und künstlerische Methoden kombinieren können.

Art Thinking: Kreativer Prozess als Selbstzweck

Dadurch, dass solche Workshops keine festen Ziele vorgeben, sondern Fortschritt und Neugierde Selbstzweck sind, steigt nicht nur die Experimentierbereitschaft der Teilnehmenden, sondern gleichzeitig eignen sie sich auch eher neue „hard skills“ - in diesem Fall Programmierkenntnisse - an. Und das unabhängig davon, ob die Teilnehmenden bereits Vorerfahrung im Programmieren haben oder nicht.

Dahinter steckt der spannende - und insbesondere in der Innovationsforschung recht neu erforschte - Ansatz von „Art Thinking“. Es geht darum, künstlerische Methoden und Denkweisen in andere Disziplinen zu integrieren, um neue Ideen zu entwickeln und Probleme auf unkonventionelle Weise zu lösen. Anders als beim Design Thinking, das stark nutzerzentriert ist und klare Ziele verfolgt, liegt der Schwerpunkt beim Art Thinking auf dem kreativen Prozess und dem Experimentieren ohne unmittelbaren Erfolgsdruck. Art Thinking schätzt Ambiguität und Unsicherheit als notwendige Bedingungen für Innovation und ermutigt dazu, sich von traditionellen Denkweisen zu lösen. Es fördert den interdisziplinären Austausch und bringt Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Das Ziel ist hier keine nutzerzentrierte Lösungsfindung, sondern die eigentliche Frage neu zu erfinden.

Der Aufbau von Art-Tech-Workshops (Eigene Darstellung)
Der Aufbau von Art-Tech-Workshops (Eigene Darstellung)

Die Rahmenbedingungen für Kreativität

Dass das natürlich „one size fits all“-Lösung ist und auch inkrementelle Innovationen unverzichtbar sind, versteht sich von selbst. Aber insbesondere wenn sich die Gegebenheiten schneller und schneller verändern, sind Umgebungen, die neue Arten der Ideenfindung möglich machen, unverzichtbar. Gerade im Journalismus fehlen solche Umgebungen nämlich häufig - auch das hat sich aus meiner Forschung ergeben.

Positive und negative Einflussfaktoren auf ein kreatives Workshop-Umfeld (Eigene Darstellung)
Positive und negative Einflussfaktoren auf ein kreatives Workshop-Umfeld (Eigene Darstellung)

Ich habe versucht einige grundlegende Faktoren zu definieren, wie genau eine solche Umgebung aussehen muss, um die erwünschten Effekte auf individuelle Kreativität und Lernprozesse zu haben. Wichtig sind praktische, hands-on Erfahrungen und eine Umgebung, die sowohl Autonomie als auch Risikobereitschaft fördert - mit Fokus auf projektbasiertes Lernen ohne vorgegebene Ziele. Hier sind die oben erwähnte Toleranz für Ambiguität und das Experimentieren ohne Erfolgsdruck zentrale Aspekte. “Ohne vorgegebenes Ziel” heißt aber nicht “komplett ziellos”: Ziele sollten selbst gesetzt und dem Lernprozess angepasst werden. 

Dabei braucht es auch eine sorgfältige Auswahl der Teilnehmer*innen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht. Und, ganz wichtig: Hindernisse auf organisatorischer Ebene, wie Zeitmangel und Stress durch ein zu hohes Arbeitspensum, müssen abgebaut oder zumindest zuverlässig suspendiert werden. Dabei ist Druck aber nicht immer negativ. Es lässt sich zwischen zwei Arten von “Pressure” von außen unterscheiden: Einerseits der Druck eines zu hohen Arbeitspensums - der wirkt gezielt negativ -, andererseits aber der Druck einer herausfordernden Aufgabenstellung. Letzteres ist bis zu einem gewissen Level sogar Motivations- und Kreativitätsfördernd. 

Ausblick: What’s next?

Meine Arbeit war eine grundlegende Exploration von Art Thinking als Methode und ihre Voraussetzungen im Kontext redaktioneller Arbeit. Und sie hat gezeigt: Die Ergebnisse sind vielversprechend. Ein spannender Forschungsansatz wäre, daraus ein noch tiefergehendes Framework zu machen. Also - stay tuned für meine Doktorarbeit? ;)

Jana hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Du hast auch ein spannendes Thema? Melde dich bei uns!

Ein Artikel von

Jana Geldner

Jana hat lange für pd next, die Innovationseinheit der Mediengruppe Pressedruck, gearbeitet und sich bereits im Traineeship des Media Lab Ansbach mit den Zukunftsfragen der Medienbranche beschäftigt. Sie war Teil des Gründerteams des Magazins „Rocketeer“, prämiert u.a. mit dem Bayerischen Printpreis und dem Nova Innovation Award, Mitgründerin des interdisziplinären Magazin „Pris“ und Teil des Theaterkollektivs INITIUM. Sie ist studierte Literaturwissenschaftlerin mit einer Leidenschaft für Sci-Fi. Zu ihrem Thema (und einem neuen Hobby) kam sie unter anderem durch die Teilnahme an einem Creative Coding Kurs an der Freien Universität Amsterdam.

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