Media Research & Development | 10.11.2020
Match.ME - Tinder für digitales Netzwerken
Mein Name ist André Eckert und ich bin seit 10 Jahren selbständig als Art Director Digital & Motion. Als solcher sorge ich für Bewegtbildinhalte in unterschiedlichsten Bereichen, von großen Promotion-Kampagnen für Mercedes, Beiträgen für Galileo, Erklärfilmen im Bildungswesen und in der internen Kommunikation, bis zu Social-Media-Content und Konzepten für Messen, Events und Festivals.
Als Botschafter für Unicorns in Tech helfe ich mit meiner eigenen Eventreihe dabei, dass sich Menschen connecten, besser netzwerken und sich für spannende Tech-Themen wie AI, VR/AR oder Gamification begeistern können.
Das Media Lab kannte ich schon länger: durch interessante Veranstaltungen, mein Lieblingsformat - das Media Innovation Camp - und das superengagierte Team. Das R&D Fellowship war der ideale Einstieg, um mit Coaching und Praxis die ersten Schritte zum ersten eigenen Startup und Produkt zu beschreiten.
Das Thema „Digitale Events“ ist spätestens seit der Corona-Krise in aller Munde. Großevents sind bis auf weiteres nicht möglich. Aber auch davor stellte sich schon die Frage: Wieviel Sinn macht es, für einen oder zwei Tage lange Reisen auf sich zu nehmen? Und wenn jede:r schon praktisch zu jeder Zeit Zugang zum Netz hat, warum nicht lieber direkt vor dem Rechner sitzen?
Doch es gibt einige Fallstricke. Technische Schwierigkeiten, auch wenn diese oft leicht zu lösen sind (etwa wenn es darum geht, Mikrofon und Kamera einzuschalten und eine gute Verbindung sicherzustellen). Aber auch das Format muss an eine digitale Aufmerksamkeitsspanne und deren Möglichkeiten angepasst sein.
Und gerade, wenn es dann zum Netzwerken kommt, wird es noch schwieriger. Die zufällige Begegnung in der Kaffeeschlange oder beim Warten auf ein kurzes Gespräch mit der Speaker:in, aber auch das gezielte Netzwerken: Auf einem digitalen Event ist einfach alles anders als vor Ort.
Ich bin mit dem breiten Thema „Digitale Events bedürfnisorientierter gestalten“ in das R&D Fellowship gestartet. Und es war schnell klar, dass ich hier viel spezieller werden musste. Über die Befragung von Macher:innen und Besucher:innen digitaler Events konnte ich zunächst diverse Problemstellungen herausfinden.
Es gab technische Verbindungsschwierigkeiten, einen höheren Anspruch an die Qualität der Sprecher:innen, da es relativ einfach war, von Raum zu Raum zu wechseln. Auch das Commitment zum Event war ein Anderes, da es online einfach mehr Ablenkungsmöglichkeiten gibt, als vor Ort.
Ein Aussage hörte ich öfters, und sie machte mich stutzig: “Online-Netzwerken auf digitalen Events ist überhaupt nicht mein Ding ” - das kam selbst von Menschen, die vorher zum Netzwerken auf das gleiche Vorort-Event gegangen waren und kein Problem mit der Nutzung von Xing oder LinkedIn hatten. Erst auf weiteres Nachfragen erfuhr ich dann, dass Besucher:innen auf digitalen Events häufig nicht wussten, wann und wo sie auf den oft neuen Plattformen netzwerken konnten - oft, weil es schlicht keinen Bereich dafür gab. Auch wurde gesagt, dass es einfach ganz anders wäre, das Netzwerken vor Ort. Es gab also eine Hürde, die es zu überwinden galt um das Netzwerken auf digitalen Events direkter und intuitiver zu gestalten.
Diana Hauser -IT Woman of the Year 2018 - sagte: “Die physische Präsenz digital zu übersetzen, heißt nicht, das 1 zu 1 zu tun, sondern es heißt, neue Wege zu finden.” Wie konnte ich also die Menschen auf digitalen Events am besten beim Netzwerken unterstützen? Das war ein spannender Gedanke, dem ich nachgehen wollte.
Auch habe ich gelernt, dass man bei der Zuspitzung der Zielgruppe auch leicht über das Ziel hinaus schießen kann. Indem ich bei meinen Netzwerk-Überlegungen irgendwann bei StartUps angelangt bin, die nach Investoren suchen. Dabei ließ sich dann aber kein sinnvoller Anreiz für Investoren mehr finden, um das Netzwerken auch für sie attraktiver zu gestalten.Die richtige Zuspitzung auf eine Zielgruppe, die den größten Nutzen vom “vernetzt werden” hat, wurde dann einer der Kerngedanken meiner Interviews und des Anpassungsprozesses.
Die nächste Herausforderung war, für diesen Problemkomplex ein Lösung zu finden, und daraus einen Prototypen zu erstellen, mit denen man testen könnte ob er den Nutzern:innen weiterhilft.
Per Clickdummy habe ich die User Journey nachgestellt und konnte, in den dazugehörigen Feedbackschleifen, das Produkt immer weiter verfeinern und anpassen.
Match.ME hat den Ansatz, das jede Nutzer:in nur einmal ein Profil eingeben muss (oder durch eine vorhandene Plattform wie Xing oder LinkedIn automatisch übernehmen kann) und dann je nach Event angeben kann, was er oder sie sucht und/oder bietet. Das ganze kann auch durch ein psychologisches Werteprofil ergänzt werden.
Alles zusammen ermöglicht das, spannende Kontakte miteinander zu verbinden. Es sorgt dafür, dass man sich auf den direkten Austausch konzentrieren kann und nicht erst lange nach Personen suchen muss, die nach den eigenen Kriterien interessant sind.
Wie ein Matching Prozess aussehen kann, sieht man in dieser Animation, in der eine Nutzerin nach einer neuen Mitarbeiter:in sucht und mit Match.ME interessante Vorschläge erhält:
Nach einer ausführlichen Konkurrenzanalyse für das digitale Netzwerken bin ich relativ schnell auf weitere tolle Lösungsangebote gestoßen, die Hilfe für das Netzwerken auf digitalen Events bieten sollen. Dennoch habe ich, bis jetzt, in der Praxis noch keinem einzigen Event beigewohnt, bei dem dies live erlebbar war und funktioniert hat. Stattdessen gab es viele, teils sehr witzige, „Zoom-Roulette Sessions“, bei denen ich mit zufälligen Besuchern:innen auf der ganzen Welt verbunden wurde. Leider funktioniert hier gezieltes Netzwerken nicht, da man ja komplett per Zufall ohne Anknüpfungspunkte mit einer beliebigen Person in einen meist zeitlich begrenzten Zoom-Chat geworfen wird. Dieses Problem löst Match.ME.
Der nächste Schritt für dieses Projekt ist jetzt, eine funktionierende Basisversion von Match.ME zu erstellen und Fördermittel und weitere Kooperationspartner:innen zu gewinnen. Diese Basisversion soll dann Anfang 2021 bei den ersten, bereits gewonnen, Kooperationen mit Events getestet werden, um dadurch das Produkt weiter zu verbessern.
Während ich das hier schreibe, hoffe ich natürlich, dass wir uns in einem Jahr wieder frei entscheiden können, ob wir auf ein digitales Event oder ein Vor-Ort-Event gehen. Und bestimmt wurden für viele Startschwierigkeiten auf digitalen Events bis dahin auch neue Lösungen gefunden. Match.ME ist dann hoffentlich auch ein fester Bestandteil jedes Netzwerkevents, egal, ob digital, hybride oder vor Ort.