Events | 26.06.2024

Media Future Talks – Klima und Medien

Die journalistische Medienlandschaft sieht sich mit dem Klimawandel einer besonderen Herausforderung gegenüber: Wie geht konstruktive Berichterstattung in diesem aufgeheizten Thema - ohne Panikmache, aber auch ohne den Ernst der Lage herunterzuspielen?

Bei unseren Media Future Talks im März 2024 haben wir uns gefragt, welche Rolle Medien bei der Klimakommunikation spielen. Um die Herausforderungen und Chancen der Berichterstattung besser zu verstehen und vor allem einen breiten Blick auf die Thematik zu bekommen, luden wir ein: eine freie Journalistin, eine Psychologin, eine Lokaljournalistin, zwei Webentwickler und eine Designerin. Unsere Erkenntnisse.

Katharina Mau: Wie wir Strukturen und Verdrängung in der Medienbranche aufbrechen können

Mit den Schwerpunkten Klimakrise, Wirtschaft und Mobilität arbeitet Katharina Mau als freie Journalistin für unterschiedliche MedienSie ist außerdem Teil des Netzwerks Klimajournalismus Deutschland und startete gemeinsam mit dem Media Lab Bayern ihren Podcast mit dem Titel „Klimagerecht – Jetzt bloß nicht verzweifeln“.

Als Probleme der Klimaberichterstattung identifiziert Katharina Mau zum einen Strukturen, zum anderen Verdrängung. Beides greife ineinander. Durch die Strukturen - beispielsweise der Aufmerksamkeitsökonomie - wird die Klimakrise, die doch alle Lebensbereiche betrifft, oft nicht angemessen verhandelt. Während die Corona-Pandemie drei Jahre lang fast durchgehend die Schlagzeilen beherrschte, bleibt die Klimakrise oft im Hintergrund, obwohl sie genauso dringlich ist. Dadurch steht die Frage im Raum: Warum erscheint der nachweislich durch die Industrialisierung menschengemachte Temperaturanstieg nicht als akutes Thema auf den Titelseiten? Hier greift die Verdrängung. Viele Menschen meiden Klimanachrichten, um negative Gefühle zu vermeiden, was zu einer weiteren Fragmentierung der Berichterstattung führt. Der Ernst der Lage wird also oft nicht klar genug kommuniziert - sowohl von Politik als auch von den Medien.

Wie können wir also angemessen über das Klima berichten? Katharina Mau schlägt eine ressortübergreifende Berichterstattung über den Klimawandel vor. 

“Klimathemen sollten nicht isoliert stattfinden, sondern in Verbindung mit Wirtschaft, Politik und anderen Lebensbereichen. Darüber hinaus ermutigt sie uns, neben den Problemen auch Lösungsansätze und positive Entwicklungen hervorzuheben, um Leser:innen zur Handlung zu motivieren.”

Rima Ashour: Wie wir Klimasorgen mit Selbstwirksamkeit begegnen können

Rima Ashour ist Psychologin und arbeitet als Psychologische Psychotherapeutin in Ausbildung in einer psychotherapeutischen Ambulanz für Erwachsene. Seit 2019 engagiert sie sich ehrenamtlich bei den Psychologists / Psychotherapists for Future. Dort beschäftigt sie sich vor allem mit dem Thema des emotionalen Umgangs mit der Klimakrise. Gemeinsam mit Kolleg:innen hat sie "Empfehlungen zur Berichterstattung über die Klimakrise aus psychologischer Sicht" erarbeitet.

Auch Rima Ashour kennt die schon angesprochene Fragmentierung der Klimakommunikation. Beispielsweise fehlen Klimaaspekte oft in Reiseberichten und die Auswirkungen von Konflikten und Kriegen auf das Klima spielen in den Nachrichten kaum eine Rolle. 

Zudem sind emotionale Reaktionen der Bürger:innen auf die Klimakrise weit verbreitet. Laut jüngsten Umfragen macht sich die Mehrheit, rund 70 Prozent, Sorgen über die Zukunf, auch Schuldgefühle spielen eine Rolle. Diese starken Emotionen können dazu führen, dass Menschen Handlungen vermeiden oder gelähmt sind, anstatt aktiv zu werden. Deswegen ist es auch nicht überraschend, dass viele Deutsche die Klimanachrichten aktiv vermeiden, um diese negativen Gefühle zu vermeiden. Dieses Verhalten verstärkt wiederum die Fragmentierung und die mangelnde Sensibilisierung für das Thema.

Ein weiteres Problem ist laut Rima Ashour der allgemeine Vertrauensverlust in die Medien. Das ist insbesondere in den USA stark erkennbar, sollte aber auch bei uns nicht unterschätzt werden. Hier spielen auch Falschinformationen eine große Rolle, die sich heute schneller verbreiten als noch vor wenigen Jahren, so Rima Ashour.

Um diesen Problemen entgegenzuwirken, schlägt die Psychotherapeutin verschiedene Lösungsansätze vor: 

“Wir sollten über die Klimakrise nicht als isoliertes Problem sprechen, sondern als etwas, das jeden Lebensbereich betrifft. Gleichzeitig ist es wichtig, die damit verbundenen Gefühle anzuerkennen und ernst zu nehmen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass wir uns um unsere Welt und Zukunft kümmern, und wir sind nicht allein mit ihnen. Bei der Bewältigung dieser Emotionen hilft es auch, erfolgreiche Lösungen und Bewältigungsstrategien aufzuzeigen. Verhaltensänderungen, politisches Engagement oder gemeinschaftliche Initiativen stärken unser Gefühl der Selbstwirksamkeit.”

Aline Pabst: Wie wir Klimajournalismus im Lokalen rocken können

Aline Pabst ist Reporterin in der Lokalredaktion der Saarbrücker Zeitung, bei der sie auch volontierte. Noch während ihres Volontariats initiierte sie eine Schwerpunktseite „Klima & Umwelt“, die seit Juli 2021 wöchentlich in der Lokalausgabe des Regionalverbands Saarbrücken erscheint. Für das Projekt, mit dem sie Klimaberichterstattung auf die lokale Ebene bringt, erhielt sie 2022 den K3-Preis für Klimakommunikation in der Kategorie „Journalismus“.

Bei einer lokalen Schwerpunktseite zu Klimathemen steht die Frage im Raum: Warum braucht es lokalen Klimajournalismus, wenn die Klimakrise doch ein internationales Problem ist. Die Antwort darauf lautet: 81 Prozent der täglich erscheinenden Zeitungen sind Lokalzeitungen. Sie sind damit nach wie vor die Newsquelle Nummer eins für viele Menschen vor Ort. Trotzdem berichten gerade Lokalredaktionen selten über Klimathemen, weil sie denken, dass sich Leser:innen nicht dafür interessieren. Statistiken zeigen das Gegenteil - genauso wie die Schwerpunktseite von Aline Pabst.

Nach einer Umstrukturierung der Saarbrücker Zeitung nutzte sie die Gelegenheit, eine „Klimaseite“ mit konstruktiver Berichterstattung einzuführen. Das Ziel: globale Krisen lokal verorten, regelmäßig darüber berichten und Hintergründe mit kritischen Einordnungen liefern. Leitfragen in der Berichterstattung sind beispielsweise, wo vor Ort Emissionen entstehen und welche Gegenmaßnahmen möglich sind. Alternativ kann auch auf die konkreten Folgen des Klimawandels in der Region eingegangen werden und welche Anpassungsmaßnahmen dafür bereits umgesetzt werden. Diese Fragen sind auch im Kleinen entscheidend, da Kommunen und Landkreise von der Flächennutzungsplanung über die kommunale Wärmeplanung bis hin zum Katastrophenschutz einen großen Einfluss auf die Folgen des Klimawandels in der Region haben können.

Für den Klimajournalismus im Lokalen gibt uns Aline Pabst noch folgende Tipps mit: 

“Es ist wichtig, keine Angst vor Fehlern zu haben, aber auch umsichtig bei der Auswahl von Experten zu sein, sich nicht einschüchtern zu lassen, Verbündete zu suchen und sich kontinuierlich weiterzubilden.”

Lennart Grigoleit und Marco Lettner: Wie wir Technologien zur Klimakommunikation nutzen können

Lennart Grigoleit und Marco Lettner sind Alumni des Media Labs in Ansbach. Beide Webentwickler haben sich in ihren Masterarbeiten mit dem Thema Klima beschäftigt und waren mit ihren IT-Skills schon an weiteren Projekten rund um Klima und Medien beteiligt. 

Marco Lettner entwickelte beispielsweise das digitale Design des CO2-Rechners vom BR mit. Lennart Grigoleit engagiert sich beim Klimadashboard, einem Verein zur Förderung datenbasierter Berichterstattung und Bewusstseinsbildung zur Klimakrise.

Das Klimadashboard ist eine Online-Plattform, auf der Nutzer:innen historische und Echtzeitdaten des Klimawandels interaktiv erkunden können. Dazu gehören Parameter wie Temperatur, CO2-Emissionen und Niederschlag. Ziel ist es, den Klimawandel verständlich und zugänglich zu machen. 

Das ist auch für Lennart Grigoleit einer der größten Nutzen:

“Durch die Interaktion auf der Plattform können Nutzer:innen die Auswirkungen des Klimawandels auf regionaler und globaler Ebene besser verstehen und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Umweltfaktoren erkennen. Sie erhalten außerdem hilfreiche Tipps, wie sie beispielsweise ihren CO2-Fußabdruck reduzieren und damit selbst aktiv werden können.”

BR Data wiederum ist das datenjournalistische Team des Bayerischen Rundfunks. Marco Lettner, angestellt beim BR AI + Automation Lab, hat in Zusammenarbeit mit der Redaktion das digitale Design des CO2-Rechners von BR Data gebaut. Der Rechner soll helfen, den Nutzen von Klimamaßnahmen in den Mittelpunkt zu rücken, wo sonst meist die Kosten im Vordergrund stehen.

Marco Lettner betont vor allem:

“Durch die Aufteilung in Sektoren wird deutlich, wo genau welche Klimaschutzlücken bestehen. Die simple Visualisierung hilft dabei, diese komplexen Sachverhalte zu erfassen.”

Juli Sikorska: Klimadringlichkeit durch Szenarien sensibilisieren

Mit mehr als 12 Jahren Erfahrung in den Bereichen Klima, Strategie und Design hat Juli Sikorska eine beeindruckende Vita vorzuweisen. Sie forschte zu Nachhaltigkeitsübergängen, lehrte Systemdenken und (Klima-)Zukunftsgestaltung, leitete Workshops und stellte ihre Arbeiten international aus. Sie ist außerdem Mitgründerin des Urban Heat Studio: ein kreatives Kollektiv für transformative Klimaresilienz und Vorstellungskraft. 

Das Urban Heat Studio bringt Menschen zusammen, um mit immersiven Erfahrungen zukünftige Klimaauswirkungen zu überwinden. Seit der Gründung im Jahr 2020 hat das Kollektiv eine Vielzahl von Klimaszenarien-Übungen, Workshops und urbanen Interventionen durchgeführt, um die Öffentlichkeit für die Dringlichkeit des Klimawandels zu sensibilisieren und innovative Lösungen zu erkunden. Ein Höhepunkt im Jahreskalender ist die HeatCon - eine halb reale, halb fiktionale Konferenz mit Raum für Reflexion, Gemeinschaft und Handlung.

Für Juli Sikorska sticht in der Arbeit des Kollektivs der ganzheitliche Ansatz heraus:

“Veränderungen müssen auf individueller, gemeinschaftlicher und politischer Ebene vorangetrieben werden. Das funktioniert nur, wenn die Teilnehmer:innen unbequeme Emotionen verarbeiten, Perspektiven über Hindernisse und Möglichkeiten ändern und gemeinsam neue Geschichten entwickeln. Diese Erfahrung macht wiederum komplexe Themen greifbar und regt zu Diskussionen über alternative Wege an, wie wir uns an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen können.”

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