Media Research & Development | 20.11.2019

News auf Mobilgeräten

Was können sich Journalisten von TikTok und Instagram Stories abgucken?

Seit Mitte des Jahres bietet das Media Lab Medien-Pionieren, Journalisten oder Entwicklern im Rahmen eines Research and Development Fellowships die Möglichkeit, mehrere Monate lang an einem Medien-Trend zu forschen und in Begleitung von 1 on 1 Coachings erste Lösungen zu entwickeln.

Unser R&D Fellow Michael Netsch forscht seit Oktober zum Thema Mobile Stories und News auf Mobilgeräten. Hier erzählt er, womit er sich die nächsten 4 Monate beschäftigen will:

Mobile Stories sind dabei, den Feed als primäre Content-Darreichungsform auf Smartphones abzulösen. Sie stellen die vermutlich erste Mediengattung dar, die exklusiv vom Smartphone her gedacht ist und auch nur auf dem Smartphone richtig funktioniert. Medienmarken, die ihre Nutzer über Mobilgeräte erreichen wollen, kommen nicht daran vorbei, sich mit dieser Art von Content auseinandersetzen.
Snapchat ermöglichte seinen Nutzern 2013 erstmals das Spielen mit Fotos, Videoschnipseln, Text, Emojis in einem speziell dafür geschaffenen Story-Bereich und leistete damit Pionierarbeit.
Facebook war schnell daran, das Format für seine Plattform als auch für Instagram und WhatsApp zu "adaptieren" und ist damit schlussendlich am eigentlichen Erfinder vorbei gezogen. Mehr als 1,5 Milliarden User nutzen das Story-Feature weltweit täglich über alle Apps und Portale hinweg, der größte Teil davon auf Instagram.

Mobile Stories funktionieren immer nach einem ähnlichen Prinzip: Kurze Videoschnipsel und Fotos laufen in Folge ab. Angereichert werden sie mit Text, Musik, Zeichnungen, Emojis und Stickern - immer im Hochformat und damit perfekt geeignet für den Konsum auf dem Smartphone-Bildschirm. Einzelne Story-Elemente sind extrem kurz, auf Instagram beispielsweise nur 15 Sekunden. Und sie sind immer top-aktuell. Clips, die älter als 24 Stunden sind, verschwinden und sind nicht mehr abrufbar. Durch diesen technischen Kniff wirken Stories quasi live, sehr direkt und höchst authentisch. Außerdem bieten sie durch unterschiedliche Frage-, Quiz- und Voting-Tools zahlreiche Möglichkeiten, mit den Nutzern in Interaktion zu treten.
Für viele Marken und Influencer sind mobile Stories ein unverzichtbares Werkzeug, um mit Fans und der eigenen Community in Kontakt zu bleiben. Im News-Bereich sieht es bei der Adaption dieses neuen Genres leider noch sehr mager aus. Die meisten Medienhäuser nutzen das innovative Format wenig innovativ. Überwiegend wird lieblos mit einem Teaserfoto und einer Überschrift auf die eigene Website verlinkt. Ähnliche Strategien scheiterten Jahre zuvor auch auf anderen damals innovativen Plattformen wie zum Beispiel Twitter oder Facebook. Positiv hebt sich zum Beispiel die News-WG des Bayerischen Rundfunks mit ihrem auf Instagram und seine Nutzer zugeschnittenen Format ab.

Auch die App TikTok ist mit ihrem speziell auf Smartphones zugeschnittenen Content extrem erfolgreich. Hier finden sich bis auf wenige Ausnahmen noch gar keine Medienmarken. Dabei gäbe es auch auf TikTok zahllose Möglichkeiten für innovatives Storytelling. Herausstechendstes Merkmal ist hier das Wiederverwenden der Inhalte anderer. Während im klassischen Journalismus die Exklusivität der eigenen Geschichten ein wertvolles Gut ist, steht bei TikTok das Weitererzählen und Sich-Zunutzemachen von fremdem Content im Vordergrund. Tonspuren und Musik anderer Videos können für den eigenen Clip wieder verwendet werden. Oder es wird per Split Screen auf das bereits publizierte Video eines Nutzers reagiert. Nutzer erzählen Geschichten weiter, passen sie an und drehen sie möglicherweise in eine ganz andere Richtung. Marketing-Abteilungen großer Unternehmen haben bereits Wege gefunden, diese Mechanismen für sich zu nutzen, zum Beispiel Versandhändler Otto mit seiner #machdichzumotto-Challenge. Klassische Medienhäuser tun sich bislang noch schwer, auf der Plattform mit Inhalten zu überzeugen. Rühmliche Ausnahmen: Die Washington Post kommt derzeit mit kleinen Sketchen aus dem Redaktionsalltag auf 216 000 Follower. Auch die Münchner Kollegen von Chip können mit regelmäßigen Handy-Tricks und Berichten aus dem hauseigenen Testlabor die TikTok-Nutzer begeistern.

Was macht erfolgreiche Inhalte für Mobilgeräte aus? Wie können Medienhäuser die Mechanismen, die auf TikTok und bei Instagram funktionieren, für News-Content nutzen? In meinem viermonatigen R&D Fellowship am Media Lab Bayern möchte ich das herausfinden. In dieser Zeit will ich ergründen, wieso mobile Stories so erfolgreich sind. Außerdem plane ich, Formate und Umsetzungsformen für Nachrichten zu erarbeiten, die sich für Mobilgeräte eignen und sich dabei vielleicht die ein oder andere Scheibe von TikTok oder Instagram abschneiden.

Wenn ihr ein Thema habt, das ihr schon immer mal angehen wolltet oder einfach nur begeisterte Medien-Experimentierer seid, dann bewerbt euch jetzt für unser R&D Fellowship. Wir haben spannende Challenges für euch im Bereich Personalisierung, Voice, Plattformen, Reader Engagement und viele mehr, an denen ihr auch nächstes Jahr bei uns forschen könnt. Mehr Informationen findet ihr hier: https://www.media-lab.de/r-d-fellowship

Neue Erkenntnisse zum Thema und erste Format-Piloten gibt es demnächst hier im Media-Lab-Blog.



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