Media Trends | 27.01.2023

Sexualaufklärung für den Mann

Adobe Stock/|Dariia

Das Rollenbild von Männern ändert sich, gleichzeitig wird die maskuline Sexualität in den Medien weiterhin mit Stereotypen dargestellt. Männliche Sexualität sei weiterhin oft performancegetrieben und stark von Pornografie geprägt, sagt Sarah Alt im Interview. Die Gründerin von Nesoma möchte das ändern. Mit einer Web-App möchte sie jungen Männern einen Zugang zu einer gesunden Sexualkompetenz ermöglichen.

Du fokussierst dich auf die männliche Sexualität. Warum das?

Sarah: In unserer heutigen Gesellschaft gibt es eine Idealvorstellung von sogenanntem “großartigen Sex”. Die Frage, was das für ein Individuum persönlich heißt, kommt zu kurz. Während es bereits viele Aufklärungsangebote für Frauen gibt, stehen Männern oft nur pornografische Inhalte als interessantes Medium zur Verfügung.

Welche Rolle haben Medien in diesem Kontext?

Sarah: Medien spielen eine große Rolle. Es gibt in der Fernsehlandschaft viele verschiedene Formate mit einer weiblichen Zielgruppe, darin geht es manchmal um Zärtlichkeit, manchmal um Empowerment, um selbstbestimmten Sex oder um sexuelle Freiheit in der Gesellschaft. Bei Männern ist es immer noch um einiges einseitiger und die Vielfalt fehlt. . Das sexuelle Bild, das für Männer aufrechterhalten wird, erzeugt bei vielen Männern unbewusst einen Performancedruck und limitiert sie damit in ihrer freien Entfaltung. Dass Sexualität in den Medien eine Rolle spielt, finde ich wichtig und grundsätzlich gut. Mir geht es darum, dass ein doch häufig sehr einseitiges männliches Bild gezeichnet wird.

Worin spiegelt sich diese Diskrepanz in Zahlen?

Sarah: Mädchen und junge Frauen sind beispielsweise kritischer, was die Einnahme der Pille betrifft, gehen selbstbewusster mit ihrem Körper um und stellen höhere Ansprüche an den Mann. Gleichzeitig nimmt die Unsicherheit bei jungen Männern zu. Große multinationale Studien schätzen, dass etwa 30 % aller jungen Männer an Erektionsstörungen leiden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine psychologische Ursache dahinter steckt, liegt bei Männern unter 40 Jahren bei 85 %. Anstatt sich professionelle Hilfe zu suchen, wenden sich 75 % an das Internet. Auch der Zugang zu Angebot und das Produktdesign von Alternativen spielen eine Rolle. Männer haben mir in meiner Research beispielsweise rückgemeldet, dass bereits bestehende Angebote sehr „weiblich“ ausgelegt sind. In Rosa, auf weibliche User fokussiert und so weiter. Also, alles ist nach wie vor sehr stigmatisiert.

Locker und ohne Scham - eine Chatnachricht von Nesoma.

Welches Konzept verfolgt dein Startup Nesoma?

Sarah: Ich möchte mit Nesoma ein wirkliches Angebot für junge Männer schaffen. Wir möchten die Freude an der Sexualität von Anfang an erhalten und über den Verlauf des Lebens steigern. Nutzer erhalten an 23 Tagen täglich eine Message, die mit einer kleinen Aufgabe verknüpft ist. Zum Beispiel über das Thema Selbstreflexion und Education. User brauchen dafür ungefähr 10 Minuten und können so dann mehr über sich selbst erfahren und an Selbstvertrauen gewinnen. Damit erfahren sie auch mehr über die Vielfalt der Sexualität abseits von Pornografie bzw. über die Pornografie hinaus.

Warum das Thema Selbstreflexion?

Sarah: Für mich fängt eine gesunde Sexualität oft da an, wo ich mich selbst und/oder meine Partnerin bzw. meinen Partner gut kenne. Es gibt einige Stereotype, die sehr verankert sind. In User Interviews habe ich das immer wieder festgestellt. Zum Beispiel wurde Sex schnell mit Intimität gleichgesetzt. Konkret kann das so aussehen: In einer Ehe möchte ein Mann häufiger Sex als eine Frau. Dahinter steckt aber nicht der gesteigerte Sexualtrieb, sondern der Wunsch nach Intimität und Nähe. Und Sex scheint der einzige Weg, um Intimität zu erfahren. Als junger Mann kommt die Erfahrung von Intimität in unserer heutigen Gesellschaft immer noch zu kurz, stattdessen steht Penetrationssex im Fokus.

Was müsste passieren, damit sich das ändert?

Sarah: Das ist auch eine Frage der Rollenvermittlung in den Medien, aber nicht nur. Unser genereller Umgang mit männlicher Sexualität spielt eine Rolle. Zum Beispiel sollte man voraussetzen, dass Männer nicht alles über Sexualität wissen. Auch wäre es wichtig, dass Männer früh lernen über ihre Sexualität zu sprechen, im Positiven und Negativen. Also ein qualitatives Gespräch über Dinge, die sie beschäftigen. Und natürlich, dass Tabuthemen nicht mehr tabu sind. Auch wenn wir viel über Aufklärungsarbeit bisher gesprochen haben, geht es mir am Ende darum, das Gesundheitsverhalten zu fördern. Dazu zählen für mich, Safe Spaces anzubieten und eine Kommunikation über alle Gesundheitsaspekte zu öffnen. Das beginnt schon von Kindesbeinen an. Deshalb möchte ich mit den Umsätzen, die Nesoma generiert, auch die Aufklärungsarbeit bei Jugendlichen neu denken und fördern.

Wie setzt du das alles mit deinem Startup um?

Sarah: Mein Geschäftsmodell basiert auf den Einnahmen durch die Web-App. Ich nutzte beispielsweise den technologischen Fortschritt, um individuell auf User einzugehen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz hilft den persönlichen Ansprüchen von Usern gerecht zu werden und gleichzeitig kann Nesoma skalieren. Auch die Datensicherheit ist bei so einem Angebot eine zentrale Frage. Daher lege ich darauf auch sehr viel Wert.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Sarah: Ich habe das Startup Nesoma genannt, weil es sich aus zwei wesentlichen Bestandteilen zusammensetzt. Soma steht für das somatische Nervensystem, das eine wesentliche Rolle bei der Verarbeitung und Integration von Informationen im Zusammenhang mit sexueller Erregung und Lust spielt. Das ne steht für new. Ich wünsche mir, dass sich neue neuronale Vernetzungen in allen Köpfen bilden, wenn es um männliche Sexualität geht. Und, dass wir somit die Freude an der Sexualität bei jungen Menschen erhalten und steigern könne

Vielen Dank für das Interview!

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