Events | 10.09.2020

#snackable: Corona und die Medien

Die großen Medienhäuser kämpfen nicht erst seit gestern mit sinkenden Auflagen und dem digitalen Umschwung. Johannes Klingebiel, Designer und Researcher des Innovationsteams der Süddeutschen Zeitung, war online bei uns im Media Lab Ansbach zu Gast und machte deutlich, warum trotz oder gerade auch wegen der “Corona-Krise” ein Umbruch in den Medienhäusern möglich ist.

Bei unseren #snackable-Sessions haben wir spannende Speaker*innen zu Gast, um gemeinsam Ideen für aktuelle Herausforderungen der Branche zu erarbeiten. Diesmal mit Johannes Klingebiel! Die wichtigsten Erkenntnisse wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten:

Die Pandemie als Systemschock

Johannes Klingebiel startete seinen Vortrag zunächst mit einigen spannenden Facts:

  • Die Nutzung der Printmedien sinkt generell: 2013 gaben zwei Drittel der Befragten an, Printmedien zu nutzen, dieses Jahr war es nur noch ein Drittel.
  • Die Unsicherheit und Unplanbarkeit aufgrund der Pandemie führt zu Einstellungsstopps, Kurzarbeit und eingefrorenen Marketingbudgets.
  • Die Auflagenzahlen sinken infolge von fehlenden Verkäufen im Einzelhandel während des Lockdowns.
  • Corona fungiert als Katalysator für bereits bestehende Trends und pusht den Wandel von Printmedien hin zu digitalen Medien

Laut Johannes Klingebiel würden insbesondere Zeitungen momentan immer mehr Opfer ihrer eigenen Geschäftsmodelle, da diese nicht zeitgemäß an potenzielle Leser*innen angepasst seien. Vor allem die nächsten fünf Jahre blieben spannend.

Abo-Explosionen versus Verschwörungstheorien

Unsicherheit innerhalb der Bevölkerung könne sich momentan auf verschiedene Art und Weise entwickeln:

Auf der einen Seite stehe die Entwicklung hin zu einem hohen Nachrichtenverkehr und dem erhöhten Bedürfnis nach “Escapism”, also dem Wunsch, der Wirklichkeit zu entfliehen. Dies führe laut Johannes Klingebiel zu “Abo-Explosionen” in vielen Redaktionen. Den Menschen seien besonders glaubwürdige Medien wichtig, beispielhaft hierfür sei das Coronavirus Update mit Christian Drosten, welches mittlerweile 41 Millionen Aufrufe zu verzeichnen hat. Es herrsche größtenteils Vertrauen in die deutsche Medienberichterstattung.

Andererseits gebe es durchaus auch gegenteilige Entwicklungen festzuhalten. Fake-News und Verschwörungstheorien bekämen in der Pandemie vermehrt Zulauf. “Dies liegt an einer ungesunden Art, mit Unsicherheit und Komplexität umzugehen”, sagte Johannes Klingebiel. “Verschwörungstheoretiker glauben, dass Zufälle nicht existieren und alles einen Grund hat. Es wird ein Feindbild konstruiert und somit ein einfaches Narrativ bedient.”

Folgen der Corona-Pandemie

“Work from Home” - durch Corona hat dieses Konzept eine ganz neue Bedeutung bekommen. Von zuhause arbeiteten viele Arbeitnehmer*innen vor Corona eher selten, im Lockdown wurde dies hingegen Arbeitsalltag. Auch Redaktionen wurden “ins kalte Wasser geworfen” und mussten Prozesse “zwangsdigitalisieren”.

“Das ist einerseits positiv, andererseits negativ zu werten”, erklärte Johannes Klingebiel. Nicht jeder Prozess sei für eine Digitalisierung geeignet, da dadurch die Bürokratie teilweise sogar zunehmen könne. Eine weitere negative Folge der Krise sei der Talentverlust innerhalb von Redaktionen durch Kurzarbeit und Einstellungsstopps, berichtete Johannes Klingebiel. Auch Praktika mussten vielfach gestrichen werden, sodass sich Nachwuchstalente im Journalismus umorientieren.

Andererseits werde auch einiges in Gang gesetzt, was zuvor auf der “Wartebank” verblieb, wie zum Beispiel die Anschaffung neuer digitaler Tools, die bereits vorher zu einer zeitgemäßen Ausstattung der Büroräume gehört hätten.

Von Anzeigenumsätzen hin zu Abo-Umsätzen

Ein Umschwung sei spürbar und immer mehr sichtbar. Denn Digitalisierung bedeute nicht nur den Wandel der Produktion und Kanäle, sondern auch einen Wandel der Geschäftsmodelle, der Organisationslogik sowie der Individuallogik. So finde ein Investitionsshifting von Anzeigen hin zu Abonnements und digitaler Ausstattung statt. Auch die Markenführung verändere sich: Die Marke solle heute weniger als Visitenkarte gelten, sondern eher als Lifestylemarke.

Das damit verbundene Umdenken sei beispielsweise in der Ausbildung von Journalist*innen, die derzeit noch auf Basis von Ressortstrukturen stattfinde, besonders wichtig. Aufgrund des Wandels solle diese mehr mit Produktmanagement in Verbindung gebracht werden, empfiehlt Klingebiel. Auch ethnografische Fähigkeiten und Kenntnisse sowie Nutzerforschung seien im Laufe des Umschwungs in den Medienhäusern essenziell. Innovation bedeutet hier also: Umdenken, umdenken, umdenken!

Wenn ihr auch Lust habt, mit uns spannende Themen zu diskutieren, seid bei unseren nächsten Events dabei - die aktuellen Termine gibt's immer hier.

Wir freuen uns auf euch!

Ein Artikel von

Irmeli Pohl

Irmeli Pohl studiert seit Oktober 2020 im Bachelor Ressortjournalismus an der Hochschule Ansbach. Von August bis September 2020 arbeitete sie im Media Lab Ansbach als Praktikantin und unterstützte dort das Marketing und Eventmanagement.

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