Events | 10.06.2020
Was ist Digital Storytelling bei Microsoft?
Da kommste aus dem Marketing in die PR, kriegst deinen neuen Arbeitsvertrag, dann steht da du seist fortan ein Communications Manager Digital Storytelling, und du fragst dich: Was soll das eigentlich sein?
Mein Name ist Jan und seit Dezember bin ich in München bei Microsoft, mit eben diesem Titel, der viel Interpretation braucht, um verstanden zu werden. Für andere, aber vor allem in den ersten Monaten auch für mich selbst. Wie ich diese Rolle interpretiert habe, durfte ich kürzlich beim virtuellen Media Innovation Camp vorstellen, und nun noch einmal in diesem Blogbeitrag. Vielen Dank an dieser Stelle an das Media Lab Bayern!
Vor Microsoft war ich fast fünf Jahre bei der Werbeagentur BBDO in Düsseldorf, zunächst als Dualer Student im Bereich Marketing & Kommunikationsmanagement, dann als Digital Account Executive, was einem Berater mit dem Fokus auf digitale Kampagnen entspricht. Privat sehe ich mich als Content-Creator, mit einigen YouTube-Kanälen, Blogs, der Leidenschaft zur Fotografie und dem Traum vom eigenen Roman.
Vielleicht klingt das jetzt zunächst einmal nach Marketing-Handbuch, aber es geht darum, strategisch, konzeptionell und gestalterisch die Entwicklung von innovativen Content-Formaten voranzutreiben, in erster Linie für das Microsoft News Center, also unserer Unternehmenswebsite, wo wir alle Geschichten sammeln und veröffentlichen, die in irgendeiner Weise mit Microsoft zu tun haben, und die unternehmenseigenen digitalen Kanäle. Das Bedeutet im Klartext, es gilt zu überlegen, wie unsere Geschichten über alle Plattformen hinweg so geplant und gestaltet werden können, dass die Stories ihre Wirkung am besten entfalten können, und die richtigen Zielgruppen erreichen.
Stories wie: KI hilft in Alaska beim Artenschutz - da geht es um eine Zoologin, die sich in Alaska um die bedrohten Belugawale und Kegelrobben sorgt und mithilfe von Software-Ingenieuren bei Microsoft eine Künstliche Intelligenz zum Tracken der bedrohten Tiere entwickelt. Oder: Wie mit Mixed Reality Geschichte erlebbar wird - als Kind hat Zaid Zaim die imposanten Bauwerke aus der antiken Stadt Palmyra bewundert. Nachdem diese im Krieg zerstört worden sind, hat der ReDi-Absolvent diese mithilfe der Microsoft HoloLens virtuell wieder aufgebaut. Und: Project Natick, ein Rechenzentrum im Atlantik - wie Forscher von Microsoft ein Unterwasser-Rechenzentrum geschaffen haben, das die Umwelt schont und mittels Cloud-Anwendungen völlig autonom betrieben werden kann.
Klar ist auch, solche Geschichten haben wir nicht jede Woche, und neue Produkte oder Produktfeatures müssen ebenso kommuniziert werden. Grundsätzlich aber gilt das Verständnis bei uns, dass wir die technologische Grundlage bieten wollen, auf der wir Menschen befähigen, ihre eigenen Lösungen zu bauen. Und auf Basis dieser Annahme wollen wir auch unsere Geschichten erzählen.
Was wir versuchen: der Mensch steht im Mittelpunkt jeder Geschichte. Ist mittlerweile vielleicht zum No-Brainer im Storytelling geworden, aber auch wir müssen uns das immer wieder ins Gedächtnis rufen, damit wir eine authentische und nahbare Geschichte erzählen.
Darüber hinaus, und hier klaue ich von unserem Chief Storyteller Steve Clayton, gibt es auch das Konstrukt der 4Ps, People, Place, Process, Product, und die Vernetzung von zwei der 4Ps ergibt stets eine gute Story. Damit kann verhindert werden, eindimensional über ein Thema zu berichten.
Wir sind ja nicht das Marketing, sondern die Kommunikationsabteilung, daher verfolgen wir keine Leads, Conversions oder sonstige harte KPIs, sondern formen damit unser Image, die Brand Perception, Awareness über Zeit – zum Beispiel sagen wir, wir wollen eine überwiegend positive Tonalität für unseren Bereich AI & Innovation in den Medien und in der Art und Weise, wie in den sozialen Netzen über das Thema gesprochen wird, im nächsten Jahr erreichen. Dafür helfen solche Stories ungemein.
Damit es nicht bei einem relativ wenig aussagekräftigen Attribut wie „ungemein“ bleibt, haben wir eine Data Analytics - Struktur implementiert, um unsere Aktivitäten zu messen. Wie genau ich dabei vorgehe, erkläre ich weiter unten.
Darüber hinaus versuchen wir, mit jedem einzelnen Inhalt, den wir publizieren, ein individuelles Ziel zu verfolgen. Bei uns sind das sogenannte Content-Kategorien, die folgende Sub-Ziele implizieren:
Bevor es zum nächsten Punkt in der Interpretation zu Digital Storytelling geht, stellt sich noch die Frage, auf welchen Kanälen wir eigentlich präsent sind. Die Stories auf unserem News Center sind im Idealfall nur der Anfang. In Theorie haben wir die Möglichkeit, die Geschichten auf über 80 Owned-Kanäle snackable oder als Teaser für den Artikel zu verbreiten. Sämtliche soziale Netzwerke finden sich darin ebenso wieder wie etliche Newsletter, Blogs und interne Kanäle.
In der Praxis haben wir jedoch nur die volle Kontrolle über einige wenige Kanäle, wie zum Beispiel Twitter. Alles weitere gelingt nur in enger Abstimmung mit der Marketing-Abteilung, die natürlich ganz andere Ziele verfolgen.
Im Idealfall aber publizieren wir einen Artikel a) auf unserem News Center, b) verlängern diesen kanal- und zielgruppenspezifisch auf Twitter, Instagram, Facebook, LinkedIn, YouTube sowie intern auf Yammer und im Newsletter, und c) greift ein Online-Magazin idealerweise die Story auf und potenziert die Reichweite noch einmal. Bei besonders wichtigen Ankündigungen treten wir im Vorfeld schon an die Presse heran.
Bei Microsoft wird es zudem gefördert, wenn Mitarbeiter*innen als Corporate Ambassador auftreten, also d) die Stories auch in ihre privaten Netzwerke hineintragen – bekanntlich beeinflusst ein Peer die Meinung seines Netzwerkes authentischer als der Corporate-Kanal. Natürlich auf freiwilliger Basis und nur, wenn man sich auch wirklich mit einem Inhalt identifizieren kann. Wie ich persönlich von Zeit zu Zeit als Corporate Ambassador agiere, kannst du hier nachschauen.
Folgend das Beispiel der „KI hilft in Alaska beim Artenschutz“ - Story, um den Funnel der Distribution einmal zu verdeutlichen:
Man hört es oft und bei uns ist es das Gleiche, wir wollen unsere Brand Stories in einer 360 Grad Kommunikation ausspielen. Damit wir jedoch den Überblick auf unsere Kanäle nicht verlieren, und jederzeit wissen, auf welchem Kanal wir die richtige Zielgruppe erreichen, habe ich für unser Team eine simple App entwickelt. Wie schon gesagt ist es dann wichtig, sich mit dem/der richtigen Ansprechpartner*in beim Marketing kurzzuschließen, wo Inhalte über die PR-Kanäle hinaus verbreitet werden können.
Vielleicht wundert sich der ein oder andere jetzt bei dieser These. Im Grunde aber finden sich viele Parallelen. Allem voran der Gedanke, sich als Top of Mind in der jeweiligen Zielgruppe zu verankern. Dies kann nur gelingen, wenn über einem längeren Zeitraum, kontinuierlich und konsistent, Content mit Mehrwert publiziert wird. Sprich zeitlich relevante, unterhaltende oder informierende Inhalte, mit denen der User gerne interagiert.
Community Building ist hier das Stichwort. Und damit stehen wir erst am Anfang. Was uns auf Twitter aufgrund dauerhaftem Community Managements sehr gut gelingt, hat sicherlich noch viel Potenzial auf den weiteren Kanälen, die wir betreiben.
Es ist gewiss die Traumvorstellung einer Marke, mit Content eine Community aufzubauen, ja, eine loyale Followerschaft zu generieren, die dir für immer treu ist, wo ein echter Dialog auf Augenhöhe zustande kommt. Wie das in Perfektion geht, beweist zum Beispiel Netflix eindrucksvoll auf ihren Social Media - Kanälen.
Beim Digital Storytelling, wie auch im Content Marketing, geht es somit nicht darum, in kürzester Zeit einen zum Kauf bereiten Kunden zu kreieren, sondern sich als Marke mit entsprechenden Wertvorstellungen zu positionieren. Und wenn der Konsument unserer Inhalte dann in ein-zwei Jahren eines unserer Produkte kauft, kann dies das Resultat der Marketing-Aktivitäten sein, oder aber auch, weil wir für die Person die richtigen Werte verkörpern, uns für die richtigen Themen einsetzen, weil wir eine Verbindung eingegangen sind.
In meiner Bachelorarbeit vor zwei Jahren, Content Marketing als Geschäftsmodell, bearbeitete ich die These, dass sich Firmen jeglicher Art auch als Medienunternehmen begreifen müssen, als Publisher von Inhalten, um klar definierte Zielgruppen an die Marke heranzuziehen. Diesen Grundgedanken erachte ich weiterhin als essentiell; in gewisser Weise validiert es auch unser Verständnis von PR.
Zu guter Letzt möchte ich noch einen kleinen Einblick geben, auf welcher Grundlage ich jeden Arbeitstag starte, und wie wir, auch unter großartiger Vorarbeit meines ehemaligen Kollegen Timo Radzik, eine datengetriebene Kommunikation etabliert haben.
Dabei stellen sich drei Schritte heraus.
Im ersten Schritt schaue ich jeden Morgen in die Suchtrends und vergleiche dort relevante Keywords, wie beispielsweise „Microsoft“, „Windows“ und „Xbox“, oder konkret Keywords für Produkte wie „Microsoft Teams“, oder auch für bestimmten Themen wie „Künstliche Intelligenz“.
Wenn ich mir die Trends vom Vortag anschaue, lassen sich oft direkt Handlungsempfehlungen ableiten. Beispiel: Die Suchanfragen zu „Wie externe Gäste in Microsoft Teams hinzufügen“ sind um 600% gestiegen. Dies führt zu der Empfehlung, einen suchmaschinenoptimierten Info-Artikel zu erstellen, der dieses Feature erklärt. Klar, das ist keine Raketenwissenschaft. Formt aber auf täglicher Basis unser Verständnis für das aktuelle Geschehen.
Ebenso wichtig ist es, den Zeitraum für die Nachfrage bestimmter Keywords anzupassen. So ist zum Beispiel Mitte März ersichtlich geworden, dass die Suchanfragen nach Home Office seit dem Start des Trackings 2004 noch nie zuvor so hoch waren. Demnach haben wir die Anzahl der Artikel vervielfacht, die – unter Berücksichtigung unserer (Cloud-)Services & Produkte – genau solche Hilfestellungen leisten, die für ein erfolgreiches Home Office benötigt werden.
Nachdem ein Artikel veröffentlicht worden ist, schaue ich in Adobe Analytics rein. Hierbei wähle ich zuvor definierte Metriken aus, die wir tracken und auswerten wollen, um zu messen, wie gut ein Artikel performed hat. „Gut“ in dem Sinne wird Anhand von Erfahrungs- und Durchschnittswerten gemessen.
Auch hier gilt wieder, Handlungsempfehlungen von den Daten abzuleiten. 48 Sekunden durchschnittliche Verweildauer (Time spent per Visit) auf dem Artikel? Das sind zwanzig Sekunden weniger als der Durchschnitt – wie wäre es mit Ein-Satz-Teasern vor jedem Abschnitt, um das Interesse zu triggern, weiterzulesen? 82% Bounce Rate? Also nur 18%, die nach diesem Artikel auf unserem News Center geblieben sind – es würde helfen, relevante Inhalte im Text zu verlinken und ähnliche Beiträge in der Seitenleiste anzugeben. Oder 1100 Visits von Social – ganz gut, aber lass uns doch noch einmal neue, innovative Teaser-Assets ausprobieren, um weitere User auf die Story aufmerksam zu machen.
Im dritten Schritt folgt Power BI, unser Visualisierungstool für alle möglichen Datenquellen. Zugegeben, bevor ich zu Microsoft kam, war ich nicht der größte Fan von Daten und Zahlen. Mit Power BI aber lassen sich Daten mit wenigen Mausklicks richtig schön visualisieren, sodass es deutlich einfacher wird, daraus Insights zu entnehmen. Wie hier am Beispiel eines Dashboards, dass ich im Zuge der COVID-19 Krise erstellt habe, um den Effekt unserer, wie auch der externen Berichterstattung im Auge zu behalten.
You guessed it: Auch hier sind wieder Handlungsempfehlungen gefragt. Unser Engagement für Kunden & Partner ist am häufigsten aufgerufen worden – also haben wir kurz darauf eine komplette Microsite gebaut, wo wir alle Links & Infos sammeln. Eine extrem gestiegene Nachfrage zu Fernunterricht: also haben wir Live-Sessions für Lehrkräfte und Eltern angeboten. Sind sicherlich jetzt zwei Themen, auf die man auch ohne Daten hätte kommen können, aber im Grunde lassen sich mit solchen Dashboards und den zugrundeliegenden Daten alle Kommunikations-Entscheidungen validieren.
Oben rechts wird die Tonalität der medialen Berichterstattung im Vergleich zum Wettbewerb getrackt; da ist alles im grünen Bereich. Und in den Mediaclippings wird deutlich, dass das Interesse an Verschwörungstheorien überhandgenommen hat und wir nun in der Crisis Communication besonders aufmerksam sein sollten.
Zudem wird deutlich, wie der Traffic zunächst stark angestiegen ist, sich aber nach einer Weile wieder normalisiert hat. Das passt zu einer aktuellen Analyse, wonach die Nachfrage für COVID-19 bezogene Service-Artikel deutlich gesunken ist und wir uns somit so langsam wieder vermehrt auf andere Themen konzentrieren können.
Abseits von themenspezifischen Dashboards schauen wir mit Power BI letztendlich auf einen definierten Zeitraum zurück und wägen ab, ob wir auf einem guten Weg zum Erreichen unserer PR-Ziele sind. Die Basis liefert uns eine Handvoll Datenquellen; CISION & Pressrelations für die Media-Clippings, Talkwalker für das Social Listening, Adobe Analytics für unsere Website, und plattformspezifische Einblicke wie Twitter Analytics.
Dies ist also meine Interpretation von Digital Storytelling nach einem halben Jahr bei Microsoft. Vielen Dank an dieser Stelle fürs Lesen und an das Media Lab für die Möglichkeit, hier noch einmal darüber zu schreiben. Meine Einschätzung sagt: diese Rolle hat Zukunft. Zum einen, weil es immer schwieriger wird, in der digitalen Content-Masse Gehör zu finden, zum anderen bin ich fest davon überzeugt, dass Kommunikation eine Datengrundlage besitzen sollte. Nur so lassen sich Kommunikationsaktivitäten hinterfragen, aufeinander aufbauen und neue innovative Formate testen.
Hier gibt es noch weitere Blog Beiträge von unserem digitalen Media Innovation Camp:
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