Abschlussarbeiten im Media Lab | 23.12.2024

Wie digitale Nachrichtenangebote Jugendliche erreichen

(erstellt mit KI)

Wenn populistische Inhalte an Bedeutung gewinnen, ist eine Demokratie auf qualitativ hochwertigen Journalismus angewiesen. Doch es gibt Zielgruppen, die dieser Journalismus kaum erreicht. Wie können Redaktionen Nachrichten für Jugendliche gestalten, die sonst kaum Kontakt zu journalistischen Angeboten haben?

Warum mediale Information ungleich verteilt ist

Durch das Internet steht uns allen das gesamte Wissen der Menschheit jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung. Klingt gut - ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn Informationen, die durch die Massenmedien transportiert werden, sind strukturell ungleich verteilt. Das heißt, je mehr mediale Information zu einem Thema verfügbar ist, desto größer sind die Wissensunterschiede zwischen Menschen mit höherem und niedrigerem sozioökonomischem Status. Dieses Phänomen heißt Wissenskluft und ist auch in den digitalen Medien zu beobachten.

Im aktuellen Informationsrepertoire spielen soziale Medien eine zunehmend bedeutende Rolle. Insbesondere Jugendliche greifen auf Social-Media-Plattformen zurück, um aktiv Informationen über das aktuelle Weltgeschehen zu erhalten oder dort zwischen anderen Inhalten beiläufig informiert zu werden. Dass die Wissenskluft auch in sozialen Medien zu beobachten ist, heißt: Unter den Personen, die soziale Medien intensiv nutzen, nehmen diejenigen mit höherem sozioökonomischem Status im Vergleich mehr Informationen auf.

Für eine demokratische Gesellschaft ist es allerdings wichtig, dass alle Bürger:innen gut informiert sind und sich darauf basierend eine Meinung bilden können. So stehen Journalismus und Medienkompetenz vor der Herausforderung, gerechten Zugang zu Nachrichtenangeboten für Jugendliche aller sozialen Gruppen herzustellen.

Medienpädagogik trifft Forschung: ein Workshop und die Learnings

Um herauszufinden, welche Nachrichten Jugendliche überhaupt nicht ansprechen und was sie sich von digitalen Nachrichtenangeboten wünschen, habe ich gemeinsam mit 17 Schüler:innen einer Mittelschule in einem partizipativen Ansatz geforscht. Sie nahmen an einem von mir konzipierten Workshop zum Umgang mit Nachrichten in sozialen Medien teil. In diesem Rahmen analysierten und erstellten sie Nachrichtenangebote, begleitet von qualitativen Gruppendiskussionen.

Der medienpädagogische Workshop zum Umgang mit Nachrichten in sozialen Medien fand im Media Lab Bayern in Ansbach statt.
Der medienpädagogische Workshop zum Umgang mit Nachrichten in sozialen Medien fand im Media Lab Bayern in Ansbach statt.

Meine Learnings aus diesem Workshop: Wichtig ist, dass die Nachrichtenangebote einen Bezug zum Leben der Jugendlichen herstellen. Das kann zum Beispiel durch die Auswahl von Themen mit persönlichen Berührungspunkten passieren. Daneben können auch Kontextualisierung und Hintergrundinformationen ein Bezug sein. Außerdem bevorzugt die Zielgruppe gewohnte Social-Media-Plattformen sowie visuelle Darstellungsweisen. Inhaltlich sind eine unterhaltsame und leicht verständliche Aufbereitung und Ansprache auf Augenhöhe wichtig.

Bedürfnisse von Jugendlichen verstehen

Noch aufschlussreicher als diese Kriterien für digitale Nachrichtenformate waren jedoch Erkenntnisse über zugrundeliegende Einstellungen und Voraussetzungen, die Journalist:innen berücksichtigen müssen, wenn sie diese Jugendlichen erreichen wollen. Drei Beispiele:

“Keine Ahnung was des is, deswegen direkt weiter”

Besonders auffällig waren das fehlende Hintergrundwissen in Bezug auf Nachrichteninhalte sowie die fehlende Nachrichtenkompetenz. So fiel es den Teilnehmer:innen beispielsweise schwer, den Nahostkonflikt als Nachrichtenthema zu identifizieren. Auch etablierte Nachrichtenmedien wie die ZEIT waren ihnen teilweise nicht bekannt.

“Also die Tagesschau schaut eh kein Kind, Digga”

Außerdem nahmen die Jugendlichen eine ablehnende Haltung gegenüber etablierten Nachrichtenthemen und -medien ein, insbesondere der Tagesschau gegenüber. Gleichzeitig wählten sie einen Post der Tagesschau als den für sie ansprechendsten Nachrichtenbeitrag aus. Das wirkt zunächst widersprüchlich. Allerdings wurde dieser Beitrag auf TikTok gepostet und von den Teilnehmer:innen womöglich deshalb nicht der Tagesschau zugeordnet - was wiederum ein Beispiel für die niedrige Nachrichtenkompetenz ist.

Die Tagesschau kam bei den Schüler:innen nicht gut weg, doch auf TikTok konnte sie ihre Zielgruppe erreichen.
Die Tagesschau kam bei den Schüler:innen nicht gut weg, doch auf TikTok konnte sie ihre Zielgruppe erreichen.

“Ja keine Ahnung, ich würd’ überall weiterscrollen"

Daneben wurde ein generelles etabliertes Desinteresse deutlich. Die Teilnehmer:innen hatten die Aufgabe, Beispiele von Nachrichtenbeiträgen in sozialen Medien in ein Ranking zu bringen. Zunächst waren sie sich einig, dass sie eigentlich alle Nachrichtenbeiträge weiterscrollen würden. Hier spielten auch der Gruppeneffekt und eine damit verbundene Nicht-Akzeptanz von Interesse eine Rolle. Die Gruppe betrachtete es also als uncool, sich für Nachrichten zu interessieren.

Verwaschener Nachrichtenbegriff: Mehr Werbung als News

Darüber hinaus konnte ich einen breiten Nachrichtenbegriff beobachten. Als Abschluss des Workshops erstellten die Teilnehmer:innen selbst Prototypen digitaler Nachrichtenangebote - ohne Vorgaben zu Plattform, Format oder Inhalt. Die gewählten Themen kamen dabei größtenteils aus dem Bereich Lifestyle. Eine Gruppe wählte beispielsweise ein Video auf TikTok über eine Neuigkeit im Handyspiel Brawl Stars - was tendenziell eher der Kategorie Werbung zuzuordnen ist.

Aus den Erkenntnissen des Workshops auch die Erkenntnis zu ziehen, Jugendliche hätten generell kein Interesse an Nachrichten, ist zu kurz gedacht. Es ist nur wichtig, direkt bei der Zielgruppe anzusetzen und dabei können oben genannte Aspekte genauso wichtig sein wie die richtige Plattform, das beste Format oder die schönste Grafik. Wer Jugendliche mit journalistischen Angeboten erreichen will, muss deren breiten Nachrichtenbegriff, niedrige Nachrichtenkompetenz und eher ablehnende Haltungen im Blick haben. Gleichzeitig sind medienpädagogische Angebote notwendig, in denen die Jugendlichen Kompetenzen erwerben, um ethische Entscheidungen im Zusammenhang mit Medien treffen zu können.

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Ein Artikel von

Anna Sturm

Anna Sturm arbeitet aktuell als Pädagogin und hat vorher als Media Innovation Trainee an digitalen journalistischen Formaten gearbeitet. Für ihre Abschlussarbeit im Master „Medien-Ethik-Religion“ hat sie sich mit gerechtem Zugang zu digitalen Nachrichten beschäftigt. Damit kombiniert sie Medienkompetenz und Journalismus.

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