Media Trends | 30.07.2020

Wie können Innovationen und Innovationskultur in Medienunternehmen verbessert werden?

Wie steht es um Innovationen und Innovationskultur in deutschen (publizistisch tätigen) Medienunternehmen? In einem Gastbeitrag stellt Prof. Klaus Meier die Ergebnisse eines Forschungsprojektes vor.

Die Corona-Krise hat die Arbeitsbedingungen für Medien und Journalismus massiv beeinträchtigt. Sie hat in manchen Bereichen Innovationen verhindert oder gebremst, war in anderen Bereichen aber auch Katalysator für Innovationen, die vor der Krise oftmals nicht so recht Fahrt aufgenommen haben – auf unterschiedlichen Ebenen sowohl der Prozesse als auch der Produkte: Die Arbeitskultur wurde auf digitale Tools für redaktionelle Planung, Workflows und Produktion umgestellt, was die Arbeit im „Home-Office“ ermöglichte. Live-Ticker, Podcasts und Daten-Visualisierungen sind nur drei Beispiele für Produktinnovationen, die in vielen – gerade auch lokalen Medienhäusern – erfolgreich Publikum erreichen.

Einerseits braucht es Krisen, damit sich Innovationen durchsetzen. Andererseits ist das nur die eine Seite der Medaille Innovation: Die andere Seite ist die mittel- und langfristig „gemanagte“, also die strategisch geplante und bewusst gewollte Innovation bei sich nicht blitzartig, sondern allmählich verändernden Rahmenbedingungen für Medien und Journalismus. Dass sich die Rahmenbedingungen vor allem durch die Digitalisierung der Medienwelt deutlich und dauerhaft verändern, steht außer Zweifel.

Wer Innovationen strategisch plant, geht systematisch und ganzheitlich vor und muss vielfältige Faktoren berücksichtigen. Wie steht es um Innovationen und Innovationskultur in deutschen publizistisch tätigen Medienunternehmen? – Dieser Forschungsfrage ging eine Studie nach, die sechs Studentinnen am Studiengang Journalistik mit Schwerpunkt Innovation und Management an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Kooperation mit dem Media Lab Bayern durchgeführt haben.

Die Studie steht auf zwei Beinen:

- Mit einem quantitativen Fragebogen wurde vom 9.12.2019 bis zum 6.1.2020 das deutschlandweite Netzwerk des Media Labs befragt. Geantwortet haben 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Medienunternehmen, neun von Startups und drei von Förderinstitutionen.

- In einer qualitativen Fallstudie wurden innovative Bereiche des Medienunternehmens Pressedruck in Augsburg in Leitfadengesprächen befragt: der 2009 gegründete Corporate-Venture-Arm pd ventures mit zahlreichen Startup-Beteiligungen und der Entwicklungseinheit pd next sowie die im letzten Jahr neu gegründete redaktionelle Abteilung Audience Development/Conversion der Augsburger Allgemeinen.

Was kann man aus den Befragungen längerfristig lernen? Im Folgenden werden die Ergebnisse der quantitativen Befragung zusammengefasst und beispielhaft mit Lösungen aus Augsburg veranschaulicht. Am Ende fasst eine Checkliste zusammen, was jetzt in Medienunternehmen getan werden kann, um Innovationen zu fördern.

In welchen Bereichen sehen die Befragten aus Medienunternehmen einen Bedarf nach Innovationen? Bei den Antworten auf diese Frage überrascht, dass in erster Linie Prozessinnovationen und erst danach Produktinnovationen genannt werden: Organisationsstruktur (89 Prozent sehr großer bis großer Bedarf) und Innovationkultur (84 %) stehen vorne. Danach folgen Plattformen, neue Märkte, Community Engagement und Technische Infrastruktur (77 bis 70 %). Erst im Mittelfeld kommen Produktinnovationen, die in der Branche zurzeit intensiv diskutiert werden – wie Künstliche Intelligenz, Audio, Video und Storytelling (55 bis 66 %). Am Ende landen die Innovationsbereiche Datenschutz, Virtual/Augmented Reality und Monetarisierung/Paywall (47 bis 39 %).

Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Angaben der befragten Startups und Förderinstitutionen, so gibt sich eine weitgehende Übereinstimmung bei den Produktinnovationen: Die Bereiche, in denen die Medienunternehmen einen hohen Innovationsbedarf sehen, sind meist auch die Bereiche, die die Startups bedienen und die von den Förderern gefördert werden. Vor allem in den Bereichen Plattformen, Community Engagement und neue Märkte sehen die drei Teilnehmergruppen einen hohen Innovationsbedarf oder bedienen diesen. Bereiche, die einstimmig keinen hohen Innovationsbedarf haben, sind die drei oben genannten, die am Ende landeten. Das Storytelling fördern die Förderer hingegen, während die anderen beiden Gruppen es als nicht so wichtig gewählt haben.

Woran hakt es und wie können Innovationen besser gefördert werden? Nur ein Drittel der Befragten von Medienunternehmen gab an, dass es bei ihnen einen definierten Prozess gibt, wie Projekte von der Idee bis zum eingegliederten Produkt entwickelt werden. Und nur ebenso viele meinen, dass es die meisten neuen Projekte über den Prototypen-Status hinaus in ein bestehendes Produkt schaffen. Das kann auch daran liegen, dass es nur bei der Hälfte der Befragten einen Ansprechpartner gibt, wenn ein Mitarbeiter Innovationsideen hat, und bei ebenfalls nur der Hälfte innovative Ideen im Unternehmen gefördert werden. Immerhin zwei Drittel meinen, dass es in ihrem Unternehmen wertgeschätzt wird, innovative Ideen einzubringen. Ansprechpartner, Förderung und Wertschätzung sind bei Medienunternehmen, die im Digitalbereich arbeiten, durchgehend deutlich öfter zu finden als im traditionellen Bereich. An stärksten ist der Unterscheid beim definierten Prozess: gut die Hälfte haben diesen bei Digitalunternehmen, nur ein Befragter bei traditionellen Medienunternehmen.

Was sind die Gründe für das Scheitern von Innovationen? Die meiste Zustimmung (jeweils mehr als zwei Drittel der Befragten) bekamen diese Aussagen: festgefahrene Unternehmensprozesse und -strukturen, zu wenige Mitarbeiter, Zeit und Budget sowie mangelnde Kommunikation im Unternehmen. Hier liegen keine großen Unterschiede zwischen Digital- und traditionellen Medien.

Bislang wurden neue Produkte bei mehr als drei Viertel der befragten Medienunternehmen selbst entwickelt. Mit Startups haben bislang nur wenige kooperiert, aber fast drei Viertel wollen dies in den nächsten fünf Jahren machen. Fehlende Kooperationsbereitschaft seitens der Startups beklagt fast keiner der befragten Mitarbeiter von Medienunternehmen. Mitunter gibt es aber ein Mismatch zwischen dem, was Startups entwickeln und den Problemen, die Medienunternehmen haben, sowie falsche Erwartungen auf beiden Seiten. Dies kristallisiert sich beim besten Zeitpunkt für eine fruchtbare Zusammenarbeit: Während Medienunternehmen eher ein spätes oder allenfalls mittleres Stadium bevorzugen, möchten Startups schon früher zusammenarbeiten. Der Kompromiss wäre hier, dass man in der Mitte einer Entwicklungsarbeit aufeinander zugeht. Allerdings gibt es nur in einem Drittel der befragten Medienunternehmen einen klaren Ansprechpartner für interessierte Startups.

Es verwundert aus verschiedenen Gründen nicht, dass die befragten Startups in erster Linie mit Branchen außerhalb der Medien zusammenarbeiten wollen. Sie stellen fehlende Kooperationsbereitschaft seitens der Medienunternehmen fest und beklagen das Versanden von Kooperationen. Zudem gibt es bei mehr als der Hälfte der befragten Medienunternehmen grundsätzlich Bereiche, für die keine Fremdlösungen erwünscht sind – die Beispiele, die dafür angegeben werden, gehen allerdings weit auseinander, sodass hier kein gemeinsamer Nenner gefunden werden kann.

„Ich glaube das Wesentliche was Innovationen anbelangt ist [...] das Mindset [...], die Strukturen in einem Unternehmen zu verändern, anders zu arbeiten“, sagt Stefan Drescher, Leiter Audience Development und Conversion der Augsburger Allgemeinen. Er bestätigt damit, was die Online-Befragung ergeben hat. Seine Einheit vereint zuvor getrennte Bereiche: im Team arbeiten Mitarbeiter von Vertrieb und Redaktion an der Frage, wie Menschen in der Region digital am besten erreicht werden können. So werden zum Beispiel auch Lokalredaktion in der Präsentation von Plus-Inhalten beraten. „Wir wollen viele Sachen testen, ausprobieren und wenn was nicht funktioniert, dann hat es nicht funktioniert“, sagt Stefan Drescher. „Aber auch diese Freiheit zu haben, dass Testen als Teil eines Entwicklungsprozesses eigentlich kontinuierlich betrieben wird. Im Digitalen muss man permanent testen, um sich zu optimieren und weiterzuentwickeln.“

Auf unterschiedliche Arten von Innovation verweist Daniel Kempf, Geschäftsführer von pd ventures/pd digital: „Man muss breit auf Innovationen schauen. Einmal auf diese große Innovation, die revolutionär ist, wo etwas ganz Neues passiert, und einmal auf Ideen oder Optimierungen mit innovativem Charakter, wo es darum geht, das Bestandsgeschäft besser zu machen und zu entwickeln.“ Doch bisher lägen viele Ideen in der Schublade, die mangels Ressourcen nicht umgesetzt werden könnten. Anfang des Jahres 2020 wurde deshalb der Digital Hub gegründet: Er stellt eigene Ressourcen zur Verfügung, sucht und verknüpft aber auch Ressourcen über die Standorte des Unternehmens hinweg.

Alles in allem sind sich viele Befragte einige, dass Innovationen in den nächsten fünf Jahren wichtiger werden als sie in den letzten fünf Jahren waren. Aus der Studie lässt sich folgende kleine Checkliste dafür ableiten, wie Medienunternehmen für diese Herausforderung gewappnet werden können:

1. Festgefahrene Organisationsstrukturen und fehlende Innovationskultur sind die größten Probleme. „Anders zu arbeiten“ sollte deshalb in vielfältiger Hinsicht ein Ziel sein.

2. Definierte Prozesse pushen und begleiten die Idee vom Prototypen bis zum eingegliederten Produkt.

3. Testen und Fehlertoleranz sind im digitalen Bereich besonders wichtig.

4. In Medienunternehmen braucht es klare Ansprechpartner für Kooperationen mit Startups und für Mitarbeiter, die Ideen haben. Dies ist bislang nur bei wenigen der Fall.

5. Drei Viertel der befragten Mitarbeiter aus Medienunternehmen wollen in den nächsten fünf Jahren mit Startups kooperieren – deutlich mehr als in der Vergangenheit.

6. Für die Kooperation mit Startups ist es wichtig, frühzeitig Erwartungen zu formulieren. Der richtige Zeitpunkt für eine Kooperation ist eher früher als später – zumindest schon in einem mittleren Stadium.

7. Damit Ideen nicht in der Schublade landen, weil zu wenig Zeit und Budget vorhanden ist, kann eine zentrale Einheit Innovationen bündeln und vernetzen – über alle Standorte und Abteilungen hinweg.

Wer sich die Studienergebnisse jetzt noch genauer ansehen will, findet hier die Folien, mit denen sie während des Media Innovation Camps im Mai vorgestellt wurden. An der Untersuchung beteiligt waren Theresa Atzl, Sandra Brugger, Anna Ernst-Schilling, Istir Krista, Joyce Probst und Maya Spitzer.

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