Media Research & Development | 09.06.2020

Wie könnten sich Daten im Journalismus anhören?

Mit Datenvisualisierungen können viele Menschen etwas anfangen, mit dem Hörbarmachen von Daten noch nicht so viel. In Wissenschaft und Kunst gibt es eine Reihe von Methoden für das “Sonifizieren”, im journalistischen Alltag jedoch noch nicht. Michael Hörz möchte das ändern.

Michael Hörz arbeitet seit über zehn Jahren journalistisch mit Daten, zuletzt bei der Süddeutschen Zeitung, davor beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Er sucht Daten, geht mit gezielten Fragestellungen an sie heran und wertet sie aus. Die Geschichten, die Michael dann findet, erzählt er auf verschiedene Weisen: oft online, mit Text, mit Visualisierungen.

Da Michael ursprünglich vom Radio kommt, treibt ihn schon länger die Frage um, wie sich Daten auch hörbar machen lassen könnten. Damit Michael dieser Frage nachgehen kann, unterstützt das Media Lab Bayern ihn im Rahmen des R&D Fellowships.

Große Datenmengen überfordern die meisten Menschen, abgesehen vielleicht von Statistiker*innen und Wissenschaftler*innen, die täglich mit Tabellen arbeiten, die unzählige Spalten und Tausende von Zeilen enthalten.

Deswegen umfasst der Standardweg bei der Vermittlung von journalistischer Daten mehrere Schritte: Wir brechen sie auf kleinere Elemente herunter, finden Kernaussagen und vermitteln sie in der Regel visuell. In manchen Fällen verdichten wir die Aussage auf eine einzige Linie in einem Diagramm, in anderen Fällen bieten wir eine Überblickskarte an, die zum Beispiel die Anzahl von Corona-Infektionen in Deutschland auf Landkreis-Ebene zeigt. Ein proportionales Element, etwa ein Quadrat oder Kreis, gibt Aufschluss über die Zahl der Fälle. Bei Bedarf kann eine solche Karte interaktiv ins Detail gehen und beim Anklicken eines jeden Landkreises die genauen Zahlen anzeigen, vielleicht auch noch weitere Werte wie die Zahl der Todesfälle und der genesenen Personen.

Wenn wir Daten mit anderen Sinnen wahrnehmen wollen, etwa mit den Ohren, fehlen bislang die differenzierten Möglichkeiten, die es bei der Visualisierung von Daten gibt. Im Radio etwa gilt die klare Regel: “Nie mehr als eine Zahl nennen!”

Mit geeigneten Tools könnte man in Hörfunkbeiträgen oder Podcasts eine weitere Ebene zum Verständnis hinzufügen, so dass etwa Hörer*innen die Entwicklung einer Zahlenreihe besser erfahren und damit verstehen können. Der Fachbegriff dafür lautet Sonifikation. So kann etwa die Tonhöhe die Größe einer Zahl vermitteln. Wenn die nächste Zahl größer ist, steigt der Ton, wenn die Zahl geringer ist, sinkt er. Auch mit Frequenzen lässt sich arbeiten, um etwa die Häufigkeit von Ereignissen zu vermitteln. Je höher der Puls, desto höher die Anzahl von Ereignissen. Auch mit Stereo-Effekten und der Lautstärke könnte man arbeiten.

Im Fellowship lote ich aus, wie das Feld aussieht und welchen Bedarf es geben könnte. Ich spreche mit (Fach-)Journalist*innen, Expert*innen und Personen, die mir Hinweise geben, wie ein solches Tool sich umsetzen ließe. Gerade im künstlerischen Bereich gibt es eine lange Tradition, Informationen hörbar zu machen, hier ist der Begriff “Sonifikation” schon stark etabliert. Doch diese Ansätze stehen für sich, etwa im Rahmen von Klanginstallationen, und erfordern viel Aufmerksamkeit der Hörer*innen. Es geht für mich also auch darum zu untersuchen, wie weit sich diese eher alltagsfernen Ansätze für die tägliche Nutzung weiterentwickeln lassen.

Außerdem untersuche ich, welche Formen der journalistischen Sonifikation schon bestehen. Wenn ich bisher anderen solche Beispiele vorgespielt habe, waren sie erstaunt und auch sehr angetan, weil es für sie einen völlig anderen Zugang bedeutete. Doch ich muss auch umfassend testen, wie weit Menschen im aktuellen Journalismus etwas mit hörbar gemachten Daten anfangen können und wo es Verbesserungsbedarf in der Darstellung und Vermittlung gibt. Fernziel ist die Entwicklung eines zugleich einfach bedienbaren und detailreicheren Tools für Daten-Sonifikation.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit für ein Sonifikations-Tool wäre die Barrierefreiheit von interaktiven Infografiken. So wären sie auch für blinde Menschen erfahrbar, wo bisher ein Screenreader einfach nur “Infografik” und deren Titel vorliest. Auch Hörbeiträge mit Sonifikationen wären aus Sicht von Blinden vermutlich eine Bereicherung.

Wenn Du eine Anregung oder Idee zu dem Thema hast, melde dich gerne bei mir!

Wenn du auch eine innovative Medienidee hast oder dich wie Michael näher mit einem neuen Projekt in deinem Spezialgebiet befassen willst, ist unser R&D-Fellowship vielleicht auch etwas für dich. Bewirb dich jetzt!

Newsletter

Alles, was ihr zu Startups und Medieninnovation wissen müsst, gibts regelmäßig in unserem Newsletter!

Abonnieren