Abschlussarbeiten im Media Lab | 24.01.2025
Wie prägen politische Einstellungen den Nachrichtenkonsum?
Empfehlungssysteme für Nachrichten personalisieren unseren Newskonsum und prägen dadurch, welche Informationen uns erreichen. Doch wie stark wirken sich unsere politischen Einstellungen auf die Wahrnehmung und Präferenzen dieser Systeme aus?
Inhaltsverzeichnis
- Nachrichtensysteme zwischen Vielfalt und Filterblasen
- Von liberal bis kritisch: Vier Modelle demokratischer Empfehlungssysteme
- Die Einstellung von konservativen Nutzern zu NRS-Modellen: Eine Analyse
- Transparenz und Vielfalt bei Empfehlungssystemen gewünscht
- Algorithmen als Akteure im demokratischen Diskurs
Nachrichtensysteme zwischen Vielfalt und Filterblasen
Die Art, wie wir Nachrichten konsumieren, hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Statt der klassischen Zeitungslektüre entscheiden heute häufig automatisierte Systeme, welche Inhalte wir sehen. Nachrichtenempfehlungssysteme (engl. „news recommender systems“ oder NRS) versprechen, uns relevante Artikel zu präsentieren – eine Erleichterung in der täglichen Informationsflut. Doch die Kehrseite dieser Innovation ist bekannt: Filterblasen und Echokammern könnten entstehen, in denen wir nur noch mit Informationen konfrontiert sind, die unsere Meinungen bestätigen.
Diese Entwicklung wirft kritische Fragen auf: Fördern Algorithmen Vielfalt oder verstärken sie Einseitigkeit? Besonders spannend ist, wie stark politische Einstellungen dabei eine Rolle spielen. Studien zeigen, dass konservative und progressive Nutzer:innen Nachrichtenempfehlungssysteme unterschiedlich wahrnehmen und nutzen. Während progressive Perspektiven eher nach Vielfalt und Diskussion suchen, priorisieren konservative Menschen tendenziell die Bestätigung bestehender Überzeugungen. Doch diese Muster sind nicht statisch, da die Algorithmen selbst beeinflussen, wie wir Nachrichten konsumieren.
Von liberal bis kritisch: Vier Modelle demokratischer Empfehlungssysteme
In meiner Masterarbeit habe ich mithilfe einer standardisierten Umfrage untersucht, wie politische Einstellungen die Präferenzen für verschiedene Modelle demokratischer NRS beeinflussen. Dabei habe ich mich auf vier Modelle gestützt, die unterschiedliche Perspektiven auf die Gestaltung von Informationen bieten.
- Das liberale Modell rückt die individuellen Vorlieben der Nutzer:innen in den Mittelpunkt und setzt auf eine starke Personalisierung der Inhalte.
- Beim partizipativen Modell soll eine breite Vielfalt an Perspektiven sichtbar sein und gleichzeitig das Gemeinwohl gestärkt werden.
- Eine aktive Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Meinungen fordert hingegen das deliberative Modell heraus.
- Zum Schluss gibt das kritische Modell marginalisierten Stimmen eine Bühne und setzt sich dafür ein, soziale Ungerechtigkeiten ans Licht zu bringen.
Die Ergebnisse zeigen, dass politische Einstellungen einen entscheidenden Einfluss auf die Präferenzen für diese Modelle haben.
Die Einstellung von konservativen Nutzern zu NRS-Modellen: Eine Analyse
Die Analyse der vier Modelle für demokratische Recommendersysteme ergab unter anderem einige interessante Erkenntnisse über Menschen mit einer eher rechten politischen Einstellung. Diese politische Gruppe präferiert eher weniger, dass die empfohlenen Inhalte für die Öffentlichkeit relevant sind und dabei helfen, dass eine Diskussionskultur entsteht. Die Analyse hat ebenfalls deutlich gemacht, dass konservative Teilnehmende sich eher seltener wünschen, dass die ihnen empfohlenen Nachrichten sie bei der Erfüllung ihrer Rolle als Bürger:innen unterstützen oder ihre Einstellung zu gesellschaftlich relevanten Themen herausfordern. Darüber hinaus sollen die Inhalte sie eher weniger dazu bringen, etwas für die Gesellschaft zu tun, sowie nicht Empathie und Toleranz fördern.
Auf Basis dieser Findings lässt sich schlussfolgern, dass Menschen, die sich rechts von der politischen Mitte befinden, eher das partizipative und das deliberative Modell bevorzugen. Weniger angesprochen fühlen sie sich hingegen von dem liberalen und dem kritischen Modell für demokratische Empfehlungssysteme.
Transparenz und Vielfalt bei Empfehlungssystemen gewünscht
Abgesehen von den politischen Aspekten fallen bei der Analyse zwei weitere wichtige Punkte auf: Zum einen ist “Transparenz” ein kritischer Faktor. Fast die Hälfte der befragten Personen mit durchschnittlichem oder besserem Wissen über NRS stimmte der Aussage „NRS funktionieren transparent“ nicht zu, während für die Menschen mit wenig bis keinem Wissen über NRS eine transparente Funktionsweise die wichtigste Eigenschaft eines Empfehlungssystems ist.
Auch das Thema “Vielfalt” bei Empfehlungen wird kontrovers betrachtet. Während rund ein Drittel der Befragten der Aussage „NRS machen diverse Empfehlungen“ zustimmten, äußerten sich ähnlich viele Menschen ablehnend. Im Kontrast dazu hielten Befragte ohne umfangreiches Wissen über NRS Vielfalt für eine der wichtigsten Eigenschaften eines guten Nachrichtensystems.
Algorithmen als Akteure im demokratischen Diskurs
Die Ergebnisse meiner Masterarbeit unterstreichen, wie wichtig es ist, Nachrichtensysteme transparent zu gestalten. Algorithmen sind keine neutralen Werkzeuge und das fällt den Menschen auf. Sie spiegeln unsere Werte und Überzeugungen wider und können den öffentlichen Diskurs sowohl fördern als auch behindern. Daher ist die Frage, wie wir Algorithmen gestalten können, um eine Balance zwischen Individualisierung und demokratischer Vielfalt zu finden, besonders spannend. Da allerdings die von mir durchgeführte Forschung nicht repräsentativ ist, wäre eine weiterführende Studie erforderlich, um die Zusammenhänge breiter zu validieren und tiefere Einblicke in die Wirkung der politischen Einstellung auf die Präferenzen für algorithmische Empfehlungssysteme gewinnen.
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